• Kultur
  • Beilage zur Leipziger Buchmesse

Faible für den König

PREUSSEN

  • Kurt Wernicke
  • Lesedauer: 3 Min.

Der 60. Jahrestag der Auflösung des deutschen Teilstaates Preußen durch den Alliierten Kontrollrat ist im Februar 2007 ohne jedes Rauschen im deutschen Blätterwald vorübergegangen. Auch die Verlage waren offenbar mit ihren Publikationen aus dem Preußen-Jahr 2001 noch zur Genüge eingedeckt und verzichteten auf die eigentlich fälligen Rückblicke. Nur der renommierte Münchner Verlag Piper suchte nach einem Autor, der eine neue, möglichst volkstümliche Preußen-Geschichte liefern könne. Er fand ihn in der Redaktion des populären Geschichtsmagazins »Damals« in der Person von Uwe A. Oster, der sich mit Biografien zu dem umstrittenen »preußischen Apoll« Prinz Louis Ferdinand (2003) und Friedrichs II. Lieblingsschwester Wilhelmine von Bayreuth (2005) als Kenner der Materie ausgewiesen hatte.

In der Konsequenz liegt nun – gerade rechtzeitig zum »Luise-Jahr« – eine gut lesbare Geschichte vor, die das Königreich Preußen als selbstständigen Geschichtsfaktor sieht. Er benutzt zwar nicht den Begriff »Dialektik der Geschichte«, wendet ihn aber inhaltlich an – wenn er zurecht konstatiert, dass mit der Geburt des deutschen Nationalstaats in der Form des Deutschen Kaiserreichs als faktisches Groß-Preußen der eigenständigen Wahrnehmung Preußens im Konzert der deutschen Vielstaaterei und im europäischen Mächtegerangel ein Ende bereitet war. Das düstere Wort Wilhelms I. am Vorabend der Kaiserproklamation »Morgen tragen wir das preußische Königtum zu Grabe!«, das sich als durchaus prophetisch erwies, beschließt dann auch den Textteil des Buches. Fortan wurden die Hohenzollern-Monarchen als Deutsche Kaiser wahrgenommen.

Zwischen der Selbstkrönung Kurfürst Friedrichs zum König in Königsberg und der Ausrufung König Wilhelms zum Kaiser in Versailles, auf den Tag genau 170 Jahre danach, werden im lockeren Plauderton die sieben Hohenzoller, die sich in dieser Zeit mit der Königswürde schmückten, vorgestellt. Oster versucht, deren Leistungen aus den Gegebenheiten ihres konkreten Umfelds abzuleiten und in die dadurch nutzbaren Möglichkeiten einzupassen. Eingemeißelte Urteile sind bei dieser Sichtweise nicht leicht zu fällen, und so schimmert häufig des Autors Bekenntnis zum Abwägen nach dem Prinzip einerseits-andererseits durch seine Bewertungen. Nur bei Friedrich Wilhelm IV., den er unter der Überschrift »Ein König in falscher Zeit« vorstellt, fällt das Urteil eindeutig aus. Es kulminiert sehr hübsch in dem Heine-Zitat: »Ich habe ein Faible für diesen König: ich glaube, wir sind uns ähnlich ein wenig – ein vornehmer Geist, hat viel Talent. Auch ich, ich wäre ein schlechter Regent.«

Dank gebührt dem Autor auch für die präzise Erklärung, wie der Name eines baltischen Volksstammes, der 1525 auf ein weltliches Herzogtum übergegangen war, von den Ufern von Memel und Weichsel über das seit 1614 hohenzollernsche Herzogtum Kleve zum Niederrhein, ja später (1792) in den Frankenwald und 1850 gar auf die Schwäbische Alb gelangte: Nach der Selbstkrönung Friedrichs wurden alle Landesteile, die zu dessen Herrschaftsgebiet zählten, über Nacht zu »Königlich-Preußischen Staaten“, und dieser administrative Begriff schliff sich in der alltäglichen Volks- wie in der Diplomatensprache bald zu »Königreich Preußen« ab.

Uwe A. Oster: Preußen. Geschichte eines Königreichs. Piper, München/ Zürich. 384 S., geb., 22,95 €

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