»Mir san de mehrern«

Bayerns Landkreistag braucht einen neuen Chef. Bei der Wahl könnte es neuen Ärger geben

  • Paul Winterer, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Am 19. Mai soll der Vorsitz im Bayerischen Landkreistag neu besetzt werden. Im Vorfeld zeigen sich erneut die Animositäten zwischen Oberbayern und anderen Regionen.

München. CSU-Mitgliedschaft und langjährige Erfahrung in der Kommunalpolitik sind Voraussetzung, exzellente Verbindungen zu den politischen Entscheidungsträgern unerlässlich, hohe Belastbarkeit Bedingung – so oder ähnlich könnte das Anforderungsprofil für den Chefsessel beim Bayerischen Landkreistag lauten, wäre der Posten offiziell ausgeschrieben. Ist er zwar nicht, aber dennoch gibt es mindestens zwei Interessenten für die Nachfolge von Theo Zellner (CSU), der zum neuen Sparkassen-Präsidenten gewählt wurde und deshalb das repräsentative Ehrenamt abgeben muss.

Der Bayerische Landkreistag ist die Interessenvertretung der Land-kreise. Neben dem Landkreistag gehören noch der Gemeindetag, der Städtetag und der Verband der bayerischen Bezirke zu den kommunalen Spitzenverbänden, oft auch »kommunale Familie« genannt. Am 19. Mai soll in Landshut der »Neue« an der Spitze des Landkreistages gewählt werden. Seit Mittwoch steht allerdings fest, dass gerade der Favorit für den Job nicht zur Wahl antreten wird.

Alles hing von der Entscheidung des langjährigen Miltenberger Landrates Roland Schwing (CSU) ab. Als Vize des Landkreistages hätte er das Erstzugriffsrecht auf die Zellner-Nachfolge gehabt – wenn er denn nur gewollt hätte. Doch nach den Osterfeiertagen kam die für viele überraschende Absage. »Ich habe es mir nicht leicht gemacht«, sagt Schwing, »aber ich werde nicht kandidieren.«

Die Macht der Oberbayern

Schwing ist der Ansicht, dass der Landkreistag künftig intensiv auf den politischen Ebenen in Berlin und Brüssel agieren und nicht nur in München präsent sein muss. Dabei sei die räumliche Entfernung Miltenbergs zum Sitz des Landkreistages in München ein Hindernis. »Im Übrigen habe ich auch noch eine Familie«, nannte Schwing als weiteres Argument für sein Nein.

Mit der Absage von Schwing sind die Chancen der beiden verbliebenen Kandidaten beträchtlich gestiegen. Der jüngere im Bunde ist der Deggendorfer Landrat Christian Bernreiter (CSU). Mit 46 Jahren könnte der Niederbayer – er ist seit 2002 Landrat – den Verband über zwei Jahrzehnte prägen. Zellner war lediglich zehn Jahre Chef des Landkreistages.

Die oberbayerischen Landräte – sie stellen mit 20 der insgesamt 71 bayerischen »Kommunalfürsten« den weitaus stärksten Bezirksverband – haben sich auf den Ex-Landtagsabgeordneten Jakob Kreidl festgelegt. Der Miesbacher Landrat ist zwar erst seit zwei Jahren im Amt, hat aber als langjähriges Mitglied des Kommunalausschusses im Landtag, davon fünf Jahre als dessen Vorsitzender, viel Erfahrung in Kommunalpolitik. Er wurde zeitweise sogar für das Amt des bayerischen Innenministers gehandelt und gilt als bestens vernetzt innerhalb der CSU.

Mit derzeit 57 Jahren könnte Kreidl dem Landkreistag für längere Zeit seinen Stempel aufdrücken. Er hätte reichlich Gelegenheit, um kommunalpolitische Duftmarken zu setzen. Ob sein oberbayerischer Stallgeruch zum Hindernis wird, wird sich zeigen. Denn bei den Jahrestagungen der Landräte heißt es schon einmal, »die aus Oberbayern sind ein besonderer Haufen« und handelten nach der Devise »mir san de mehrern« (wir sind die Mehrheit).

Was tun die Franken?

Noch ist nicht bekannt, ob nun die drei fränkischen Bezirksverbände des Landkreistages oder die Schwaben und Oberpfälzer einen eigenen Kandidaten ins Rennen schicken. Fest steht bisher nur, dass ein CSU-Mann Zellner beerben wird: Von den 71 bayerischen Landräten gehören immerhin 46 der CSU an, 9 stellt die SPD, 16 sind parteilos.

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