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Von Gauklern und Liebenden

Daniela Dröscher und »Die Lichter des George Psalmanazar«

  • Sabine Neubert
  • Lesedauer: 3 Min.

So können wir uns London in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts vorstellen: buntes Treiben in Straßen und engen Gassen, erste Fabriken mit rauchenden Schloten, Gaslaternen, kleine Häuser mit Gärtchen, Theater und viel Theatervolk. Märkte, Seiltänzer und Feuerschlucker, Tavernen, Debattierclubs, Weihwasser und »Judas Makkabäus« – ein Panoptikum der Philosophen und Dichter, intellektuellen Gaukler und philosophischen Naivlinge.

Auf dem europäischen und dem amerikanischen Kontinent Kriege und Streitereien aller Art; so viel Fortschritt, Rückschritt und Rede von »Ewigem Frieden« und »Zurück zur Natur« gab's noch nie zuvor und danach vielleicht erst so lauthals wieder in unserer Zeit. Das alles packt die junge Roman-Debütantin und Philosophin Daniela Dröscher in einen historischen Roman, in dem tatsächlich wie Panoptikumsfiguren allerlei historische Gestalten auftreten, allen voran der hoch geehrte, Portwein trinkende und fette Würste essende, gegen Amerika wetternde Dichter und Lexikograph Samuel Johnson, der sich an einem Schauspiel »Irene« versucht, auch Benjamin Franklin und am Ende in einem Prozess sogar Rousseau persönlich. Der bewahrt die schönste und originellste Figur des Romans durch sein Plädoyer davor, einen Kopf kürzer gemacht zu werden (was damals nach französischem Vorbild in Mode gekommen war).

Das alles ist die Folie für eine wundersame Liebesgeschichte zwischen zwei liebenswerten jungen Menschen, die in aller Natürlichkeit nicht nur ein Herz und eine Seele, sondern auch ein Leib werden und einen kleinen Sohn mit Namen Junior bekommen. Der hat die großen, hellblauen Fischaugen seines Vaters, und ihn besonders gilt es, vor den Nachstellungen der wankelmütigen Welt zu schützen.

»Fischmann« rufen die Kinder einem merkwürdigen Wesen im Jahre 1749 an der schottischen Küste zu. »Der Mensch, der im Lichte der aufgehenden Sonne sein Tagwerk begann, war George. George waren Sonne und Mond heilig.« George ist in ein Tuch gewickelt, den Kopf bedeckt ein Fell. Der »Fischmann« springt ins Wasser, fängt Fische mit bloßer Hand und verkauft sie auf dem Markt. Reste seiner rohen Kost verwahrt er in einem Beutel. Eines Tages, als die Kinder ihn wieder hänseln, entdeckt ihn der alte Bischof von Innes. Er bemerkt auch, dass der junge Mann lesen und schreiben kann. Der Bischof nimmt George zu sich. Der ist begeistert von der großen Bibliothek, studiert jede Nacht einen Folianten, und als er die Geschichte von Formosa gelesen hat, wird er selbst am nächsten Tag zum »Formosen«. Diese Kuriosität verspricht ein Geschäft. Der Bischof macht den Jungen mit drastischen Methoden London-reif, tauft ihn auf den Namen Psalmanazar, was biblisch-babylonisch-orientalisch klingt. Dann bringt er ihn in die Hauptstadt, wo der Junge mit seiner formosischen Fama zur Attraktion wird. Bereits genannter Samuel Johnson nimmt ihn in sein Haus. Hier lebt Frau Elizabeth mit Luzy. Die Tochter ist ein zartes, kleines Wesen nicht ganz von dieser Welt. In ihren Rocktaschen versteckt Luzy Zettel mit Listen der schönsten Dinge, dazu Perlen, Steine, Schneckenhäuser und Erdbeeren. Nun gerät George in die Fänge der Londoner High Society, wird von den Gelehrten nach Oxford geschickt und schließlich vom König in den Krieg. Luzy aber mit ihrem Duft und ihrer Liebe sorgt dafür, dass alles ein gutes Ende nimmt.

Daniela Dröscher: Die Lichter des George Psalmanazar. Roman. Berlin Verlag. 363 S., geb., 19,90 €.

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