Rot-Grün, aber nicht retro

Vorsitzende und NRW-Spitzenkandidatinnen der beiden Parteien machen gemeinsam Wahlkampf

Bei einer Pressekonferenz in Berlin betonen Sozialdemokraten und Grüne die Bedeutung eines Politikwechsel in Nordrhein-Westfalen. Ein Sieg für Rot-Grün zur Landtagswahl am 9. Mai hätte auch eine Verschiebung des Kräfteverhältnisses im Bundesrat zur Folge.

»Wir führen ein lockeres Verhältnis«, sagt Sigmar Gabriel, der Vorsitzende der SPD, über sich und seinen grünen Amtskollegen. Er habe bei Cem Özdemir angerufen und ihn gefragt, ob er nicht gegen die Kopfpauschale unterschreiben wolle. Zusammen mit Hannelore Kraft hat Gabriel im Februar eine Unterschriftenkampagne gestartet. So sei die Idee zu der gemeinsamen Pressekonferenz entstanden.

Gabriel, die grüne Parteivorsitzende Claudia Roth, Özdemir, die grüne Kandidatin für NRW, Sylvia Löhrmann, und die Kandidatin der SPD, Hannelore Kraft, geben sich entschieden optimistisch, trotz der denkbar knappen Prognosen für den Ausgang der Landtagswahl. Am 9. Mai werde sich entscheiden, »ob Nordrhein-Westfalen wieder das soziale Gewissen Deutschlands wird«, sagt Gabriel. Die meisten Menschen in dem Land wünschten sich eine rot-grüne Koalition, besagten Umfragen. Man weiß nur noch nicht, ob sich alle Befragten auch für diesen Wunsch einsetzen werden. Die Wahlbeteiligung sei »die entscheidende Frage«, sagt Gabriel.

»Rot-Grün«, das klingt nach Agenda 2010 und Hartz IV, da muss man betonen, dass es diesmal um etwas Neues, Anderes geht. Das sei kein »Revival-Doppelpack«, sagt Claudia Roth. Einvernehmlich betonen alle Politiker die Bedeutung, die die Landtagswahl für die Bundespolitik hat, würde sich doch mit einer Regierung links von Schwarz-Gelb das Kräfteverhältnis im Bundesrat ebenfalls verschieben. Deshalb werden viele Themen angesprochen, auch solche, die nicht Ländersache sind.

Steuern, Gesundheit, Soziales, Umwelt, Energie, Bildung – in all diesen Bereichen wird ein »echter Politikwechsel« beschworen. Es scheint, als seien sich die Vertreter der beiden Parteien nur noch uneinig darüber, wer die eine oder andere Ideen zuerst hatte. So habe sich die SPD Gabriel zufolge schon für das längere gemeinsame Lernen von Kindern eingesetzt, bevor die Grünen überhaupt existierten. Özdemir lobt die Kollegen dafür, dass sich die SPD zur Anti-Atom-Partei entwickelt habe. Und er witzelt: »Eines Tages werden wir auch gemeinsam gegen Kohlekraftwerke kämpfen.« Denn an manchen Punkten gibt es eben doch noch Differenzen.

Die übrigen Parteien kommen erwartungsgemäß schlecht weg an diesem Mittag am Schiffbauerdamm. Özdemir beschreibt die FDP und die LINKE als »Antipoden«, jede für sich genommen »fundamentalistisch«, weil die eine den »Staat zerschlagen« wolle, während bei der anderen »der Staat jedes Problem lösen« solle. Unter Schwarz-Gelb seien die Kommunen in NRW »ausgeblutet« und die Infrastruktur verkommen. Jürgen Rüttgers erhält im Laufe der Veranstaltung Titel wie »Anno-dazumal-Mann«, »Sozialschauspieler«, »Hü-Hott-Politiker«. »Der Mann hat keine Linie«, sagt Hannelore Kraft über den Ministerpräsidenten.

Fragen nach möglichen Koalitionen werden wie gewohnt galant umgangen. Zu einer schwarz-grünen Koalition sagt Löhrmann: »Über die Zweitoption wollen wir heute nicht reden.« Gefragt, ob ein Machtwechsel an einer Koalition mit der LINKEN scheitern würde, antwortet Kraft, dass Rot-Grün den Machtwechsel bewirken werde, und will später alles Nötige zu dem Thema gesagt haben. Gabriel wiederholt das »offene Geheimnis«, dass die LINKE in NRW »weder regierungsfähig noch regierungswillig« sei. »An uns wird kein Politikwechsel in Nordrhein-Westfalen scheitern«, sagte der Landesvorsitzende dieser Partei, Wolfgang Zimmermann, am gleichen Tag in Düsseldorf.

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