München huldigt dem Reisigbesen

Die Stadtreiniger in der bayerischen Hauptstadt bleiben ihrem alten Handwerkszeug treu

  • Viktoria Wagensommer, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
300 Besen sind in der bayerischen Landeshauptstadt täglich im Einsatz. Da sie aus natürlichem Material sind, gelten die Besen als umweltfreundlich. Und sie sind vergleichsweise billig. Der Einsatz moderner Technik bringt besonders in verwinkelten, gepflasterten Straßen und Gassen oft nicht den gewünschten Effekt.

München. Frühjahrsputz auf Münchens Straßen: Männer mit orangefarbenen Westen nehmen Wintersplitt und Abfall ins Visier. »Dass man in München mit Reisigbesen kehrt, hat eine lange Tradition«, sagt Claudia Odekerken, Leiterin der Straßenreinigung. Dem Verband kommunaler Abfallwirtschaft und Stadtreinigung zufolge sind viele Städte in Deutschland bereits auf Kunststoffbesen umgestiegen. Neben Frankfurt ist München eine derjenigen Großstädte, die ihrem alten Handwerkszeug treubleiben.

Pro Jahr braucht die bayerische Landeshauptstadt 39 000 Reisigbüschel. Der Grund: »Alle zwei bis drei Tage muss der Besen neu gemacht werden«, sagt Odekerken. »Das ist schon sehr aufwendig, aber die Leute schwören drauf.« Um einen individuellen Besen mit allen Sonderwünschen zu bekommen, lege die Mehrzahl der Straßenreiniger sogar selbst Hand an. »Etwa zwei Drittel der Leute bindet sich den Besen selbst.«

Metin Uzun ist einer von ihnen. Seit dem Jahr 1997 putzt er Münchens Straßen. Vom Besenbinden hatte er anfangs keine Ahnung. »Aber mit der Zeit lernt man das schon«, sagt er. Ein Kollege habe es ihm damals gezeigt.

Auch für Muhammet Buhur gehört das Besenbinden vor Feierabend schon richtig dazu. Nur die besten Zweige verwendet er dabei. »Zu harte, holzige Äste sortiere ich aus. An die Unterseite des Büschels kommen besonders feine, weil die gut kehren«, erklärt Buhur. Dann klopft er mit den Zweigenden auf die Werkbank, um sie alle auf die selbe Höhe zu bringen.

Einweichen im Wasserbad

»Mit einer Hand halte ich den Anfang des Büschels fest, mit der anderen wickele ich an zwei Stellen Draht drumherum«, erklärt er. »Dann lege ich es auf den Boden und stehe mit beiden Füßen drauf.« So kann Buhur die Draht-enden richtig festziehen und ineinander verdrehen.

Das fertige Bündel steckt er auf einen Besenstiel und legt es zum Aufweichen ins Wasserbad. »Nur kurz oder über Nacht – je nachdem, wie viel Zeit ich habe«, sagt er. Lehnt der Besen anschließend an der Wand, bekommt sein Reisig eine krumme, kehrfreundliche Form.

Von seinen selbst gebundenen Besen ist Buhur überzeugt. »Der Vorteil ist, dass ich den Dreck nicht vor mir her schiebe. Stattdessen kann ich mit einer Drehbewegung eine große Fläche auf einmal sauber machen«, erklärt er. Ein weiteres Plus beim Reisigbesen: Er ist vielseitig. »Für Wintersplitt mache ich mir einen stabilen Besen mit dicken Zweigen und für trockenes Laub eher einen leichten Besen mit dünnen Zweigen«, sagt Buhur. Hat ein Kollege keine Zeit oder keine Lust, bindet er auch gerne zwei Besen. »Das dauert vielleicht zehn Minuten länger.«

Zeit- und Materialaufwand zum Trotz – laut Odekerken sind die Reisigbesen vergleichsweise billig. Für 1,20 Euro pro Bündel kauft die Stadt die Zweige vom Erikastrauch bei einer Firma in der Toskana. »Der Holzstiel vom Großhändler fällt finanziell nicht ins Gewicht«, sagt Odekerken, denn er nutze sich kaum ab. Industrielle Besen seien zwar haltbarer, aber auch um einiges teurer. Und nicht zuletzt fehle ihnen die Akzeptanz bei den Mitarbeitern. Die Stadt habe erst im Herbst vergangenen Jahres einen Besen mit Kunststoffborsten getestet. An allen elf Reinigungs-Stützpunkten kam er eine Woche lang zum Einsatz.

Zu harte Kunstoffborsten

Buhur jedenfalls hatte schnell genug davon. »Die Borsten waren mir zu kurz und zu hart. Ist halt Plastik!«, schimpft er. So wie ihm ging es vielen Kollegen – das Fazit für den Kunststofffeger: »Unterm Strich hat er deutlich schlechter abgeschnitten als unsere Reisigbesen«, sagt Odekerken. »Unschlagbar« sei der Hexenbesen à la Harry Potter und werde München wohl noch einige Zeit erhalten bleiben.

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