Burkaverbot spaltet Frankreichs Politik

Paris und Brüssel wollen Gesetze durchsetzen

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
In Frankreich soll die Burka, der Ganzkörperschleier strenggläubiger islamischer Frauen, überall in der Öffentlichkeit verboten werden. Ein entsprechender Gesetzentwurf wird im Mai vorgelegt und soll bis zum Sommer vom Parlament diskutiert und verabschiedet werden.

Mit dieser Entscheidung will Präsident Nicolas Sarkozy die seit fast einem Jahr in der Öffentlichkeit geführte kontroverse Debatte beenden. Er geht ein erhebliches Risiko ein, denn das Gesetz kann durchaus vom Verfassungsrat als grundgesetzwidrig annulliert werden. Darauf hat erst Anfang des Jahres der Staatsrat, das oberste Verwaltungsgericht, in einer Stellungnahme aufmerksam gemacht. Ein Totalverbot greife zu weit in die persönlichen Freiheiten der Bürger ein. In seinem Gutachten, das beratenden Charakter hat, hält der Staatsrat ein zeitlich und räumlich begrenztes Verbot beispielsweise in Behörden, auf Flughäfen oder in Banken schon aus Sicherheitsgründen für rechtlich vertretbar, nicht jedoch überall auf der Straße oder in Läden und öffentlichen Verkehrsmitteln.

Doch über solche Bedenken setzen sich Präsident Sarkozy und die Regierung hinweg. »Ein Verbot muss den gesamten öffentlichen Raum umfassen«, erklärte Premier François Fillon, »denn die Würde der Frau ist unteilbar.«

Um auf Warnungen von Kommunalpolitikern, Berichte in den Medien über die Ausbreitung der Burka vor allem in den Arbeitervorstädten sowie die öffentliche Debatte zu reagieren, hatte die Nationalversammlung im Juli vergangenen Jahres eine Untersuchungskommission eingesetzt. Sie wurde von dem kommunistischen Abgeordneten André Gerin geleitet, der als langjähriger Bürgermeister von Vénissieux bei Lyon besonders sensibel für das Thema ist. In seiner Stadt ist mehr als die Hälfte der Bevölkerung arabischer Herkunft und die Burka sieht man dort im Straßenbild häufig. Die Kommission befragte Politiker aller Parteien und vor allem Kommunalpolitiker, aber auch Wissenschaftler, Künstler und natürlich Vertreter der islamischen Religionsverbände. Die gesammelten Meinungsäußerungen wurden der Regierung unterbreitet – zugleich mit dem Verlangen einer rechtliche Lösung. Zu einer einheitlichen Empfehlung konnten sich die Parlamentarier nicht durchringen.

Die Meinungen zum Burka-Verbot sind widersprüchlich. Während fundamental-islamistische Sprecher von »Ausgrenzung und Kriminalisierung« sprechen, weisen andere Anhänger des Islam, die um Integration bemüht sind, die Behauptung zurück, es handele sich bei der Verschleierung um eine religiöse Vorschrift. Die Frauenrechtsorganisation »Ni putes, ni soumises« begrüßt ein Totalverbot »als wichtigen Schritt zur Emanzipation der Frauen«, dagegen warnt SOS Racisme vor einer »Stigmatisierung Andersgläubiger«.

Auch die Ansichten der Politiker sind sehr unterschiedlich, selbst in den Parteien. Während der Generalsekretär der rechten Regierungspartei UMP, Xavier Bertrand, ein Totalverbot für »die konsequenteste und beste Lösung« hält, meint sein Parteifreund Jean-Paul Delevoye, der Nationale Ombudsmann, ein solches Gesetz sei »praktisch nicht durchsetzbar«. »Würden dann die Frauen saudischer Scheichs beim Einkaufsbummel auf den Champs-Elysées verhaftet?«, fragte er ironisch.

Solche Bedenken hat auch Gérard Collomb, sozialistischer Bürgermeister von Lyon, während sein Parteifreund und Amtskollege Manuel Valls aus der Pariser Vorstadt Evry ein Totalverbot für »längst überfällig« hält. »Nur so kann man diesen Provokationen radikal-islamistischer Kräfte Einhalt gebieten.« Und während André Gerin und andere KP-Kommunalpolitiker aufgrund ihrer Erfahrungen für ein konsequentes Verbot sind, hält die Parteiführung ein solches Gesetz für verfehlt. Es sei sogar gefährlich, denn es vermenge leichtfertig religiöse, soziale, politische und kulturelle Aspekte und spiele jenen in die Hände, die auf Konfrontation setzen.

Andere Stimmen aus der linken Opposition fragen sich, ob nicht Sarkozy mit einem Totalverbot die rechtsextrem orientierten Wähler zurückgewinnen will.

In Belgien hat ein ebensolches Verbotsgesetz bereits die Kommissionssitzungen im Parlament absolviert, wo es einstimmig gebilligt wurde. Wegen der Regierungskrise wurde die Debatte jedoch verschoben. Als Strafe bei Missachtung des Gesetzes sind 25 Euro Geldbuße oder bis zu sieben Tage Gefängnis geplant. Belgien wäre das erste Land in Europa, das die Burka unter Verbot stellt. Und Frankreich könnte schon bald folgen.

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