Suizid in Untersuchungshaft

Mike S. erhängt sich in seiner Zelle – Hamburgs Justizsenator Till Steffen in der Kritik

  • Mirko Knoche, Hamburg
  • Lesedauer: 2 Min.
Der dritte Suizid innerhalb kurzer Zeit in einem Hamburger Gefängnis sorgt für Diskussionen.

Ein Gefangener im Krankenhaus der Hamburger Untersuchungshaftanstalt hat Selbstmord begangen. In der Nacht auf Mittwoch erhängte sich der 43-jährige Mike S. im Duschraum seiner Zelle. Das ist bereits der dritte Fall dieser Art im laufenden Jahr. Mike S. war Mitte April aus einem Flensburger Krankenhaus in die Hamburger Haftklinik verlegt worden. Ende März hatte er sich bei einem ersten Selbstmordversuch schwer verletzt.

Der 43-jährige hatte seinen Wagen im schleswig-holsteinischen Glücksburg in einen entgegenkommenden Linienbus gesteuert. Weil er dabei den Busfahrer tötete, fast zwei Dutzend Fahrgäste sowie seinen vierjährigen Sohn, der bei ihm im Auto saß, schwer verletzte, kam er in Untersuchungshaft. Trotz des Suizidversuchs ordneten die Hamburger Gefängnispsychologen keine besondere Überwachung des Häftlings an. Erneute Selbstmordgefahr habe nicht bestanden, urteilte im April laut Medienberichten eine Psychologin nach fünf längeren Sitzungen mit Mike S.

Die Opposition in der Bürgerschaft hält diese Fehleinschätzung für keinen Einzelfall. »Das ist nun der dritte Suizid innerhalb kürzester Zeit unter der Verantwortung des Justizsenators Till Steffen«, kritisierte die Rechtsexpertin der SPD-Fraktion, Jana Schiedeck. Es herrsche »dringender Handlungsbedarf bei der Suizidprävention in Hamburgs Haftanstalten«. Auch Norbert Hackbusch von der Linksfraktion forderte »umgehende Präventionsmaßnahmen«. Bisher hat der grüne Justizsenator Steffen lediglich einen Runden Tisch einberufen. Die Opposition kündigte am Mittwoch an, den mittlerweile dritten Selbstmord auf die Tagesordnung der Sitzung des Rechtsausschusses im Juni zu bringen.

Vor vier Wochen hatte sich eine 34-jährige Indonesierin in Abschiebehaft umgebracht. Weitere fünf Wochen zuvor erhängte sich ein erst 17-jähriger Georgier, der ebenfalls auf seine Abschiebung wartete. Die zuständigen Ämter hatten seine Altersangabe angezweifelt, ihn für volljährig und somit für abschiebefähig erklärt. Beide Fälle sorgten für heftige Debatten unter Innenpolitikern und Bürgerrechtsgruppen. Insbesondere wurde die behördliche Praxis kritisiert, das Alter von minderjährigen Abschiebehäftlingen willkürlich nach oben zu setzen.

Als Reaktion auf die ersten beiden Suizide hatte Steffen den Regeldienst der Gefängnispsychologen auf das Wochenende ausgedehnt – allerdings ohne dafür neues Personal einzustellen. Derzeit kommen in der Hamburger U-Haftanstalt auf 400 Häftlinge gerade einmal vier Psychologen, berichtete das »Hamburger Abendblatt« am Freitag unter Berufung auf eine Behördensprecherin.

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