Wiege des Fußballs in Afrika

In 150 Jahren vom Kolonialistensport zum Sport der Schwarzen

Ist es Zufall? Vom aktuellen Fußballmeister Supersport United aus der Hauptstadt Pretoria hat es nur ein Spieler in den aktuellen WM-Kader der Bafana Bafana geschafft, selbst die legendären Kaizer Chiefs aus Soweto sind nur mit drei Spielern vertreten, ebenso die Erzrivalen Orlando Pirates, die in den letzten Jahrzehnten das nationale Fußballgeschehen prägten.

Aus acht südafrikanischen Klubs kommen die Bafana-Akteure, dazu kommen sechs »Legionäre« aus europäischen Klubs. Damit unterscheidet sich die Mannschaft stark von den anderen fünf afrikanischen Endrundenteilnehmern, deren Profis vorwiegend in Europa ihr Geld verdienen.

Die Besetzung der Nationalelf zeugt von der Wirtschaftsstärke der südafrikanischen »Premier Soccer League«, die als die spielstärkste auf dem Kontinent gilt. Fußballtalente aus den ärmeren Nachbarländern wie Simbabwe, Swasiland oder Botswana zieht die nationale Liga PSL magisch an.

Fußball hat in Südafrika eine lange Tradition. Hier stand quasi die Wiege des Fußballs in Afrika. Um 1860 sollen britische Soldaten den Sport auf dem Kontinent eingeführt haben. Wie der Sporthistoriker Hardy Grüne in seinem bestechenden Standardwerk »Weltfußball-Enzyklopädie« schreibt, herrscht heute nur in Detailfragen Uneinigkeit: Ob nun erstmals am 23. Mai 1862 in der Stadt Port Elizabeth dem Leder hinterhergejagt wurde oder aber am 26. September 1866 in Pietermaritzburg?

Wie auch immer: Die Begeisterung der Bewohner Südafrikas für Fußball hat seither erwiesenermaßen stetig zugenommen, ungetrübt von Rassentrennung und Apartheid-Gesetzgebung. Der anfangs von Weißen dominierte Sport wandelte sich im Laufe von 150 Jahren zu einer traditionell schwarzen Sportart. Bis 1900 spielten vor allem die britischen Soldaten in Militärligen gegeneinander, generell galt der Sport zu dieser Zeit als eine Angelegenheit der »einfachen Leute«. Cricket und Rugby waren hingegen die Sportarten, die die Eliten bevorzugten, besonders die Buren.

1898 wurde der erste schwarze Fußballverein gegründet: Orange Free State Bantu FC. Bantu ist ein Sammelbegriff, mit dem mehr als 400 Ethnien Süd- und Mittelafrikas zusammengefasst werden, die sogenannte Bantusprachen sprechen. In der Nationalmannschaft aber durften seinerzeit nur Weiße das Land vertreten: Der Südafrikanische Fußballverband SAFA wurde 1903 Teil der englischen Football Association (FA) und schon im Jahre 1910 Mitglied des Weltverbandes FIFA – als erster Mitgliedsverband aus Afrika.

Der offene Rassismus wurde in den folgenden Jahren auch im Fußball immer deutlicher – in einem Land, in dem 1923 die Städte als Wohnort der Weißen festgelegt wurden, in denen Schwarze nur ein eingeschränktes Aufenthaltsrecht hatten.

Mit Beginn der Rassentrennung in den 50er Jahren waren Spiele zwischen schwarzen und weißen Fußballern verboten. Trotzdem dauerte es bis 1961, dass der weiße südafrikanische Fußballverband aus dem afrikanischen Verband ausgeschlossen wurde. Die FIFA-Mitgliedschaft wurde 1964 zuerst nur ausgesetzt, erst 1976 wurde Südafrika schließlich auf Betreiben des neuen FIFA-Präsidenten Joao Havelange aus der FIFA ausgeschlossen. Bis 1992 konnte die Nationalmannschaft an keiner WM-Qualifikation und an keiner Afrikameisterschaft teilnehmen.

Im nationalen Fußball gab es ab 1959 eine weiße Liga, die National Football League (NFL), die konkurrierende schwarze South African Soccer League (SASL) wurde 1965 vier Jahre nach Gründung bereits wieder verboten. Doch Fußball wurde immer gespielt – organisiert von vier verschiedenen Verbänden. Nach Gründung der schwarzen Profiliga NSPL im Jahr 1971 geriet die weiße NFL so sehr in ökonomische Schwierigkeiten, dass sie 1977 den Betrieb einstellen musste. Einige weiße Klubs wechselten in die NSPL, die damit 1978 die erste multiethnische Liga Südafrikas wurde.

Nachdem 1990 das Ende der Apartheid eingeläutet wurde, ging sie in der heutigen Premier Soccer League (PSL) auf. 1992 wurde Südafrika wieder FIFA-Mitglied und gewann das erste Länderspiel gegen Kamerun mit 1:0.

Weltfußball Enzyklopädie. Amerika, Afrika & Ozeanien, Verlag Die Werkstatt Göttingen, 472 Seiten 39,90 Euro.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal