Labour sucht Brown-Nachfolger

Welche Chancen hat die Linke Diane Abbott in der Männerriege?

  • Ian King, London
  • Lesedauer: 3 Min.
Labours Hengste scharrten mit den Füßen, schnaubten vor Kampfeslust, redeten sich alle Hindernisse auf dem Rennplatz klein. Zwei Brüder, ein enger Freund von Ex-Premier Gordon Brown und ein farbloser Technokrat, strebten den Parteivorsitz an, die Männerriege der 40-Jährigen aus den Eliteuniversitäten unter sich. Keine guten Aussichten für die Kandidatenkür einer Volkspartei. Doch dann kam Diane Abbott.
Diane Abbott
Diane Abbott

Die 57jährige, alleinerziehende Mutter Diane Abbott zog 1987 als erste schwarze Frau ins Londoner Unterhaus. Die Tochter jamaikanischer Einwanderer, linke Gegnerin des Irak-Krieges, vertritt den Nordlondoner Wahlkreis Hackney, einen der ärmsten, multikulturellsten in Großbritannien. Zwischen dem 16. August und dem 22. September entscheiden nun Labour-Abgeordnete, Gewerkschaftler und Mitglieder, ob sie die Opposition gegen David Camerons rechte Koalition führen soll.

Abbott hat zwar wie ihre Konkurrenten an einer Eliteuniversität studiert, in ihrem Fall Cambridge. Doch als Hinterbänklerin, Vertreterin der Basis, TV-Moderatorin und linker Paradiesvogel bringt sie frischen Wind in die allzu stromlinienförmigen New-Labour-Reihen. Nicht sie und ihre wenigen Gesinnungsgenossen haben 13 Jahre lang in der Regierung gesessen, im Lande den Ton angegeben, den Neoliberalismus gepredigt und Kriege angefangen.

Mit Hilfe der kommissarischen Parteichefin Harriet Harman (»Eine Frau muss her!«), des Freundes John McDonnell, der ihr zuliebe auf eine eigene Kandidatur verzichtete und damit die Linke einigte, und sogar des Favoriten, David Miliband, kam Abbott fünf Minuten vor zwölf auf die nötige Anzahl der Nominierungen. Doch die wenigsten ihrer neuen Freunde werden Abbott tatsächlich wählen. Viele halten die schlagfertige Rednerin mit Ecken und Kanten für ein Sicherheitsrisiko; als Vertreterin gleich mehrerer Minderheiten hat sie trotz aller Verdienste leider kaum Siegeschancen. Einer der Männer wird wohl das Rennen machen. Doch welcher?

Als einstiger Außenminister und Bannerträger von Blairs Politik für »middle England« – kein geografischer, sondern ein auch Ex-Kanzler Schröder wohlbekannter politischer Begriff – hat der ältere Miliband David zur Zeit die besten Chancen. Im Fernsehen strahlt er zwar nicht Charisma, so doch offenkundigen Ehrgeiz aus. Ob ihm das hilft oder schadet? David Miliband wollte Brown gleich zwei Mal stürzen und beerben, schreckte aber vor Königsmord zurück. Kann ein Zauderer die rechte Koalition besiegen? Also vielleicht lieber Brown-Intimus Ed Balls?

Abgesehen davon, dass der ehemalige Schulminister bei Labours Teilprivatisierung der Sekundarschulen eifrig mitmachte und damit seinem rabiaten konservativen Nachfolger Michael Gove den Weg bahnte: Balls erste Erkenntnis nach der verlorenen Wahl war, dass Labour zu viele Ausländer ins Land geholt hätte... Andy Burnham hingegen machte sich als Kulturminister nur dadurch einen Namen, dass er Bibliotheken als Orte der Ruhe und des stillen Nachdenkens verwarf und sie lieber in Starbucks-Cafefilialen umfunktionieren wollte. Wohin er Labour führen will, bleibt schleierhaft.

Bleibt als aussichtsreicher Kandidat der jüngere Miliband, Ed, der von seinem Vater, dem marxistischen Theoretiker Ralph, wenn schon nicht die Ansichten, so doch mindestens die scharfe Intelligenz geerbt hat. Als Umweltminister und Warner vor dem Klimawechsel machte er in Browns eher glanzloser Regierung eine gute Figur; er könnte die rivalisierenden Blair- und Brown-Lager zusammenführen. Wenn er den gemäßigten Linken John Cruddas, der vor allem die Parteiorganisation verbessern will, als Bündnispartner gewinnt, hätte Ed Miliband das Zeug zum Labour-Chef. Und von den letzten sieben Labour-Führern wurden vier auch Premierminister.

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