Hartz IV: Keine Begrenzung der Mietkosten

Bundessozialgericht

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Hartz-IV-Empfänger haben die freie Wahl beim Umzug in einen anderen Ort – auch wenn dies für die Behörden höhere Unterkunftskosten bedeutet. Das Jobcenter sei zur vollen Kostenübernahme verpflichtet, wenn die Miete am neuen Wohnort angemessen sei, urteilte kürzlich das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel.

Nur bei einem Umzug innerhalb einer Kommune würden anderslautende gesetzliche Regelungen greifen. Hier brauche die Behörde nur den günstigen Mietpreis der alten Wohnung zu bezahlen, entschied das BSG. (AZ: B 4 AS 60/09 R)

Das oberste Sozialgericht sprach mit seinem Urteil dem Kläger, einem 57-jährigen Mann, weitere 128 Euro monatlich für seine Miete zu. Der Musiker war 2008 von einem fränkischen Dorf bei Erlangen nach Berlin gezogen. Dort mietete er eine 300 Euro teure Wohnung – 107 Euro mehr als in Franken. Erforderlich war der Umzug nicht, etwa um einem konkreten Jobangebot nachzugehen.

Das Jobcenter Steglitz-Zehlendorf wollte die vollen Unterkunftskosten daher nicht übernehmen. Der Hartz-IV-Empfänger habe mit seinem Umzug ohne Grund höhere Unterkunftskosten verursacht. Er hätte sich zudem eine Unterkunft suchen können, die genauso billig wie in Bayern ist. Er habe daher nur Anspruch auf die in Franken gezahlte Miethöhe.

Der Kläger wandte ein, dass mit der verweigerten vollen Mietkostenübernahme sein in der Verfassung geschütztes Recht auf Freizügigkeit verletzt wird. Auch seine Berliner Unterkunft gelte nach den Hartz-IV-Regelungen als angemessen. Müssten Arbeitslose bei einem Umzug in eine andere Stadt immer für die höheren Unterkunftskosten selbst aufkommen, würde das bedeuten, dass man »immer und ewig« am günstigen Wohnort bleiben müsse.

Das BSG gab dem 57-Jährigen recht. Die Richter legten fest, dass das Jobcenter die vollen Unterkunftskosten bezahlen müsse. Die Behörde dürfe die Unterkunftskosten bei einem Umzug in eine andere Stadt nicht auf die ursprüngliche Miete begrenzen.

u Ein weiteres Urteil betrifft Schicht- und Feiertagszuschläge. Danach müssen Hartz-IV-Empfänger hinnehmen, dass ihnen nach Erhalt von Sonn-, Feiertags- oder Nachtzuschlägen die Hilfeleistung gekürzt wird. Die Zuschläge sind nicht als »zweckbestimmte Einnahmen« zu werten und müssen als Einkommen voll auf das Arbeitslosengeld II angerechnet werden, so das Bundessozialgericht in drei Fällen. (Az.: B 4 AS 89/09 R u. a.)

In einem der Fälle wurde bei einem Wachmann aus Dresden der geringe Arbeitslohn mit zusätzlichen Hartz-IV-Leistungen aufgestockt, um das Existenzminimum zu sichern.

Bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II berücksichtigte die Arbeitsgemeinschaft auch die vom Arbeitgeber gezahlten Sonn-, Feiertags-, Nacht- und Schichtzuschläge als Einkommen. Dadurch erhielt der Kläger von Mai 2005 bis Ende Oktober 2005 insgesamt rund 550 Euro weniger Hartz-IV-Leistungen.

Der Mann vertrat jedoch die Auffassung, dass die Zuschläge eine zweckbestimmte Einnahme darstellten, die nicht zu einer Arbeitslosengeld-II-Kürzung führen dürfe. Sie seien bei der Nacht- und Schichtarbeit ein Ausgleich für gesundheitliche Beeinträchtigungen. Sonn- und Feiertagszuschläge seien der Ausgleich für die gesetzlich festgelegte Feiertagsruhe, die dem Arbeitnehmer entgehe. Alle Zuschläge hätten daher eine Zweckbestimmung und dürften nicht auf das Arbeitslosengeld II angerechnet werden, lautete seine Argumentation.

Die Richter des Bundessozialgerichts folgten dieser Sichtweise nicht.

Es fehle bei den Zuschlägen ein mit dem Arbeitgeber »vereinbarter Verwendungszweck«.

Es handele sich deshalb nicht um eine zweckbestimmte Einnahme. Die Zuschläge müssten somit voll auf die gezahlte Unterstützung angerechnet werden, urteilten die Kasseler Richter.

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