Sprache der Lust

Amy Yamada: »Nächte mit Spoon«

  • Werner Jung
  • Lesedauer: 2 Min.

Wüst und ruppig geht's zu im kleinen Roman der Japanerin Amy Yamada (geb. 1959), der im Original bereits 1985 erschienen und nun als erste Übersetzung dieser Autorin ins Deutsche herausgekommen ist. So wüst, wie es sein muss, wenn plötzlich zwei Menschen, die Ich-Erzählerin Kim und der schwarze GI Spoon, der in Japan stationiert ist, merken, dass sie füreinander bestimmt sind. Nein, nicht aus Liebe und durch Gefühle drängt es die beiden zusammen, sondern aus purer Lust und sexueller Leidenschaft, die etwas geradezu Abgründiges an sich hat. Ganz unvermittelt wird der Leser in die Szene hineingeworfen: »Spoon verstand es sehr gut, mich zu berühren. Aber er berührte nur meinen Körper, nicht mein Herz.« So lauten die beiden ersten Sätze.

Begegnet sind sich die Barsängerin Kim und der Soldat im Club des Stützpunktes, und flugs vögeln die beiden in einem nahegelegenen Heizungsraum miteinander – hart, wild, leidenschaftlich. »Der Orgasmus traf mich im Innersten meines Körpers und betäubte alle meine Sinne.«

Die einzige Sprache, heißt es an derselben Stelle weiter, ist das Stöhnen. Und so folgen die beiden dem Begehren, folgen körperlicher Lust, die sie dann – begleitet von maßlosem Drogenkonsum – zu zelebrieren wissen. Dabei ist der Erzählerin von Anfang an klar, dass Spoon eigentlich ein Nichtsnutz ist, der von den amerikanischen Behörden gesucht wird, weil er, womit der Text dann endet, versucht hat, Militärdokumente zu verhökern. Doch interessiert es sie nicht weiter.

Schließlich steigert sich die Lust ins Unermessliche. Kim erträgt Gewalt- und Prügelorgien, erträgt auch die Alkoholexzesse, selbst den Betrug, denn sie erwischt Spoon mit ihrer besten Freundin im Bett. »Wir waren wie zwei Kranke, die einander nicht helfen konnten.« Die Sprache der Körper hat sie fest im Griff. Erst als die Beziehung vorbei ist – Spoon von zwei Polizisten abgeführt wird –, so scheint es zumindest, wird die Erzählerin von tieferen Gefühlen gepackt. Jetzt erst ist die Rede von Liebe.

Amy Yamadas Erstling ist ein kurzer Roman, der Schwieriges riskiert: die Sprache des Sex, der Lust und des Begehrens auf unanstößige – d. h. eben auf nicht-pornografische – Art und Weise zu sprechen und eine rein körperliche Beziehung zu erzählen, knapp und direkt, schnörkel- und arabeskenlos. So ist dann ein Buch herausgekommen, das seine Leser – unvoyeuristisch – mitleiden lässt.

Amy Yamada: Nächte mit Spoon. Roman. Ammann Verlag. 112 S., geb., 16,90 €.

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