Einwürfe, Fußnoten

Fußball-WM (6)

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 2 Min.

GUTER HUMOR ist eine große Kunst – die nur wenige beherrschen, muss hinzugefügt werden. Diese hohe Kunst besteht darin, in einem Witz den Schmerz über das Unaussprechliche auszudrücken. Der kürzeste deutsche Witz sei Auschwitz, meinte einmal George Tabori, der damit mit seinem Humor dort weitermachte, wo für andere der Spaß aufhörte. Lachen als Medizin der inneren Befreiung von einem Albtraum. Die Hand, die schon zum Schenkelklopfen ausholte, kommt auf halber Strecke in Höhe der Magengegend zum Stillstand.

Dass es passieren kann, große Kunst zu wollen, ihre Höhe aber dennoch nicht zu erreichen, weil das Können fehlt, bewies Deniz Yücel von der Berliner Tageszeitung »taz«. Yücel schreibt auf taz.de über die Fußball-WM in Südafrika. Vor dem gestrigen Spiel der deutschen Mannschaft gegen die aus Serbien zählte er 11 Gründe auf, warum Serbien verlieren wird. Er begann mit einer Analyse des Teamgeistes beider Mannschaften: »Die Jugos sind da ganz anders: Läuft's schief, gibt's Krieg!« (mäßig witzig), sank bei Punkt neun (»Für unsere Multi-Kulti-Truppe spielt die halbe Welt. Für die Serben spielen nicht mal Kosovaren – zu wenig!«) auf Regionalliga-Niveau und hatte mit dem zehnten Grund (»Serben-Legende Dragoslav Stepanovic (61, niemals Meister mit Eintracht Frankfurt) sagte nach wichtigen Spielen: ›Lebbe geht weida‹ – ein Verlierertyp!«) sein Anfangslevel wieder erreicht. Oh, hätte er da nur seine Ausführungen beendet. Aber es musste ja noch ein 11. Grund genannt werden und da war es ihm sozusagen ein »innerer Reichsparteitag« zu schreiben: »Es gibt kein Land, das wir öfter geputzt hätten: 41–99–2010, so stimmen wir alle ein …«

Die niedere Kunst des billigen Scherzes besteht darin, über das, was unausgesprochen bleiben sollte, einen Witz zu machen.

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