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Einwürfe, Fußnoten

Fußball-WM (7):

  • Lesedauer: 3 Min.

FREIHEIT und Gerechtigkeit. Das uralte Thema, weil es der uralte Traum ist: nämlich dies eine – die Gerechtigkeit – zu vermehren, ohne das andere – die Freiheit – zu beeinträchtigen. Das ist verdammt schwer. Gerechtigkeit ist was, für alle, Freiheit was für den Einzelnen. Das kollidiert ganz natürlich. Eines der klemmendsten Widerspruchspaare. Beim Spiel der Deutschen gegen die Serben hieß das Paar Klose und Undiano.

Der spanische Schiedsrichter wollte unbedingt Gerechtigkeit, der deutsche Stürmer unbedingt seine Beinfreiheit. Daraus wurde ein permanenter Vorgang des Kartenzückens, der eine nachbetrachtenswerte Gleichniskraft besitzt. Fast darf man den Referee als tragische Gestalt bezeichnen, als einen Michael Kohlhaas des Fair play: Da will einer das Gute, geradezu mit aller Gewalt seiner Ermahnungskräfte, und er tappt gleichsam in die Gerechtigkeitspflicht wie in eine Falle. Wie sich der Mensch doch leidenschaftlich in die Bewahrung seiner Maßstäbe steigert (hier pfeife ich und will nicht anders!), aber am Ende steht er da als totaler Realitätsleugner. Den leichtsinnig Ruppigen ein Verderber. Den willentlich Unbeherrschten ein Zerstörer. Denn irgendwann war das Spiel der Deutschen gegen die Serben ein gelbes Kartenhaus: zusammengestürzt.

Aber spricht das wirklich gegen den Spanier? Er zog Karten, aber nichts änderte sich – gingen denn etwa die Spieler fortan bedenkender zu Werke? Nein. Womit doch nur bewiesen wäre: Gebote und Verbote können in Hülle und Fülle ins Feld geführt werden – nichts läutert den ermahnten, verwarnten Menschen, keine einzige Strafe hilft, er lernt nichts, nichts aus jedweder Strafsache oder Geschichte, er pfeift auf die bittere Erfahrung, da kann ein Schiedsrichter noch so viel pfeifen. So erzählt Fußball ein bisschen vom unbelehrbaren Leben der Menschheit.

Hans-Dieter Schütt

TV-EXPERTEN allerorten. Es handelt sich um eine regelrechte Umzingelung. Und die Kommentare hören sich meist an, als übertrage das Fernsehen eine Alphabetisierungskampagne. Daher schon jetzt für das nächste, nicht ganz unbang erwartete Deutschlandspiel am Mittwoch Expertentipps der etwas anderen Art.

»Mit schneller Eile fliegt voran, das Feld ist groß, und Vorsicht: Schnell entsteht ein gegnerischer Wall, den sucht mit List und also seitwärts zu umschleichen.«

»Wie's gehen soll? Immer nah an der Grenze der Verrücktheit! Niemals diese Grenze überschreiten, aber immer an der Grenze zur Verrücktheit – verlassen wir den Grenzbereich, sind wir doch tot!«

»Das Mögliche machen kann jeder. Es verlangt nur Fleiß, Bescheidenheit und große Milde in der Arbeit. Es ist für die ernsten Menschen. Für das Unmögliche langt Fleiß nicht hin und wär wenig. Es verlangt Begeisterung, es ist ein Spaß.«

»Werft ab die Scheu und nehmt das Ziel in Angriff, so, wie euch der Geist der Leidenschaft die Order gibt.«

»Schaut euch doch um, die Gleichgesinnten sind sehr nah und bilden alle eine gute starke Reihe, die das gedachte und geplante und geträumte Werk nach vorne zieht.«

Die Ratgeber in der Reihe ihres Auftretens: William Shakespeare, Thomas Bernhard, Volker Braun, Friedrich Hebbel, Friedrich Schiller.

»Laßt ab, es geht doch nicht darum, im Kampf zu siegen – geht ohne allzu starken Willen euren Weg, es mögen andre sich den Sieg an ihre Herzen heften.« Das sagt der große deutsche Dichterfürst, lesen wir's als schön schwungvollen Bestechungsversuch in Richtung Ghana. Wird dort wohl ungehört bleiben, leider ist die WM ja keine Veranstaltung des Goethe-Instituts.

Anika Stralau

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