Eiteljoerge, Jaschin und Kargus

Hamburger Galerie zeigt große Fußballkunst in kleinen Bildern

  • Volker Stahl
  • Lesedauer: 3 Min.
Rudi Kargus mit dem von ihm porträtierten Lew Jaschin
Rudi Kargus mit dem von ihm porträtierten Lew Jaschin

Die Galerie Feinkunst Krüger im Hamburger Portugiesenviertel bietet ein besonderes Rahmenprogramm zur Fußball-WM. Zu sehen sind Malereien des Ex-Profis Rudi Kargus und Zeichnungen des Comic-Künstlers Ulf Harten. Themen: Fußball und Klebebildchen. Fußballfans ist der ehemalige HSV-Torhüter Rudi Kargus als »Elfmetertöter« in extra langen schwarzen Hosen in bester Erinnerung. In 408 Bundesligapartien wehrte der reaktionsschnelle Keeper 29 Elfmeter ab – der Rekord ist bis heute gültig. In Phasen, in denen das Spiel vor sich hinplätscherte, legte er den Grundstein für seine zweite Karriere, die Malerei. »In einer Halbzeit hat man nur zwei, drei Aktionen, ansonsten kann man nachdenken«, bekannte Kargus, als er bereits in Kursen an der Kunstschule Blankenese die Malerei von der Pike auf lernte. »Kunst und Fußball sind aber zwei völlig verschiedene Dinge«, sagt er.

Zwei verschiedene Dinge? Nicht ganz! Obwohl Kargus mit Vorliebe Großstadtszenen und Landschaften malt oder Symbolfiguren der Revolution in Szene setzt – den toten Marat in der Badewanne, Che Guevara –, rekurriert er immer wieder auf den Fußball. Zur WM 2006 sorgte er auf dem Museumsschiff Rickmer Rickmers mit seinen Bildern »Alte Kampfbahn« und »Eckfahne« für Furore. Pünktlich zum Anstoß in Südafrika präsentiert er die Werke »Das Leder«, »Kicker«, »Ground« und russische Fußball-Ikonen. Das zentrale Motiv ist dem von ihm verehrten russischen Torhüter-Legende Lew Jaschin gewidmet: »In meiner Jugend war er mein Hero, später war es Sepp Maier.« Kargus' Malerei kontrastiert seine ruhige, besonnene Art auf bemerkenswerte Weise. Sie ist ungezähmt, expressiv und farbenfroh. Als stehe er – wie weiland auf dem grünen Rasen – unter Strom und befinde sich auf dem Sprung in die Torecke, um einen Elfmeter zu parieren.

Solche Szenen hat Ulf Harten zu Hunderten im Kopf. Neben spektakulären Torhüterparaden haben sich die heiß geliebten Fußball-Klebebilder »mit den lustigen Namen und teilweise beknackten Gesichtsausdrücken« unauslöschbar in das Gehirn des Comic-Zeichners, Jahrgang 1954, eingegraben: »Leider hat meine Mutter die Alben beim Kelleraufräumen entsorgt.« Ein traumatisches Erlebnis für Harten – bis heute. Was also tun? Vor ein paar Jahren fing er an, sein erstes Album aus der Saison 1964/65 »frei aus dem Gedächtnis zurückzuholen«. So rekonstruierte er sein eigenes Bundesliga-Retro-Heft, das in der Ausstellung für 100 Euro erworben werden kann. Das Kind im Manne steckt auch in Rudi Kargus. Mit der Freude eines kleinen Jungen präsentiert der 57-Jährige seine alten, von Folien geschützten Heinerle-Sammelbilder: »Die Fotos der alten Stars haben sich tief eingeprägt, sie transportieren etwas Göttliches. Ich verbinde mit ihnen eine romantische Erinnerung an meine Kindheit.«

Ein besonderer Spaß der beiden Künstler ist es, die mit Kommentaren versehenen Namen der alten Helden per SMS zu übermitteln. Eines Tages wurde der Name Herbert Eiteljorge gesimst, in der Saison 1963/64 Torhüter bei Preußen Münster – der Titel der gemeinsamen Ausstellung war geboren: Alles Eiteljorge!

Ausstellung »Alles Eiteljorge», Malerei und Zeichnungen bis 3.7., Feinkunst Krüger, Ditmar-Koel-Straße 22, 20459 Hamburg (040/317 92 158), www.feinkust-krueger.de

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