Die Außenpolitik wird im Elysée gemacht

Ex-Diplomaten Frankreichs kritisieren Lage

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Frankreichs Afrikapolitik wird längst nicht mehr im Pariser Außenministerium gemacht. Jean-Christophe Rufin, ein im In- und Ausland geachteter Schriftsteller mit linken Positionen und von Präsident Sarkozy zum Botschafter in Senegal gemacht, hat jetzt die außenpolitische Federführung des Elysée scharf kritisiert.

Rufin, Mitglied der traditionsreichen Académie française, hat den Ruf, zurückhaltend und besonnen zu sein. Als ihm 2007 der gerade gewählte Nicolas Sarkozy den Posten des Botschafters in Senegal anbot, willigte er ein. »Ich habe auf seine Ankündigungen im Wahlkampf vertraut, dass er mit der unheilvollen Praxis der ›Franceafrique‹ Schluss machen wolle, also den Kungeleien mit skrupellosen Diktatoren zur Verteidigung französischer Wirtschaftsinteressen und militärischer Positionen«, meint Rufin rückblickend. Doch die Chance zur Kehrtwende sei vertan worden. Über Rufins unverblümt kritische Haltung zu den Verhältnissen in Senegal und zu den Absichten des selbstherrlich regierenden Abdoulaye Wade, seinen Sohn Karim zum designierten Nachfolger zu machen, hat sich der Präsident mehr als ein Mal in Paris beschwert und die Abberufung gefordert. Doch Erfolg hatte er damit erst jetzt. Rufin meint erleichtert: »Jetzt bin ich wieder frei und muss nicht mehr diplomatische Zurückhaltung üben.«

Seine Erfahrungen hat er jetzt in einem Beitrag für die Zeitung »Le Monde« zusammengefasst. Dieser Artikel dürfte Präsident Sarkozy ebenso verärgern wie Außenminister Bernard Kouchner. Mit Kouchner verband Rufin eine lange Freundschaft. Beide gehörten zu den Gründern der Organisation Ärzte ohne Grenzen, für die sie in vielen Entwicklungsländern als Mediziner tätig waren. Beide hatten geglaubt, Sarkozys »Öffnung« seiner Regierungsmannschaft auch für linke Persönlichkeiten könnte eine echte Chance sein, Dinge zu bewegen. Auf die gegenteiligen Erfahrungen haben sie dann ganz unterschiedlich reagiert. Während sich Kouchner anpasst und »Kröten schluckt«, hat sich in Rufin nur noch mehr Widerspruchsgeist geregt.

Dass Frankreichs Afrikapolitik längst nicht mehr im Außenministerium gemacht wird – das viele nach der Straße vor dem Amtsgebäude einfach »Quai d’Orsay« nennen – wollte er nicht hinnehmen. »In den letzten Jahren wurden alle sensiblen Fragen zu Afrika von Claude Guéant, dem Generalsekretär des Elysée, entschieden. Aber er ist kein Afrikaexperte, sondern Präfekt, also Beamter. Er ist weder der Regierung noch dem Parlament gegenüber rechenschaftspflichtig, nur dem Präsidenten«, betont Rufin. »Das Quai d’Orsay ist nur noch eine Vitrine Richtung in- und ausländischer Öffentlichkeit, aber die ‚Realpolitik’ wird hinten herum und an ihm vorbei gemacht. Das ist kein Ministerium, sondern ein Scherbenhaufen.«

Zu einer ähnlichen Einschätzung sind auch die ehemaligen Außenminister Hubert Védrine (PS) und Alain Juppé (UMP) in einem gemeinsamen Beitrag für »Le Monde« gekommen. »Wir sind besorgt über die systematische Schwächung der diplomatischen und auslandskulturellen Kanäle Frankreichs«, schreiben sie. »In den letzten 25 Jahren hat das Ministerium 20 Prozent seines Budgets und Personals verloren.« Natürlich müsse auch am Quai sorgsam mit den Mitteln gewirtschaftet werden. Doch seien die Kosequenzen verheerend. „Man ist dabei, ein wertvolles Instrument vor den Augen der Welt zu zerstören. Und dies in einer Zeit, da die multipolare Politik in der internationalen Arena ständig aufwendige Verhandlungen mit vielen Partnern erfordert, um die Interessen Frankreichs zu wahren.«

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