Einer überrascht sie alle

Vor 50 Jahren holte Bernhard Eckstein Gold bei der Straßenrad-WM

  • Rupert Kaiser
  • Lesedauer: 2 Min.
Legendäres Amateurrennen: Täve Schur (l.) und Bernhard Eckstein imago/ND
Legendäres Amateurrennen: Täve Schur (l.) und Bernhard Eckstein imago/ND

August 1960, Schauplatz Sachsenring. Zum ersten Mal ist die DDR Veranstalter von Welttitelkämpfen in einer olympischen Sportart. Kurz nachdem die Bahnradfahrer ihre Meister in Leipzig und Karl-Marx-Stadt gekürt haben, steht am 13. August die berühmte Motorradrennstrecke bei Hohenstein-Ernstthal im Blickpunkt der Radsportanhänger. Alle Augen sind auf Täve Schur gerichtet, er kann zum dritten Mal Straßenweltmeister der Amateure werden. Vor ihm liegt eine Renndistanz von 174 Kilometern, was 20 Umrundungen entspricht, und keiner der über 150 000 Zuschauer am Streckenrand zweifelt wirklich daran, dass Schur der Sieg nicht auch gelingen sollte.

Aber: Es sollte alles ganz anders kommen, der Rennverlauf ist legendär. Keinem auf den Tribünen ist zunächst Bange, als Täve Schur, ihr Junge aus Magdeburg, bei den kleinen Ausreißversuchen der ersten Runden nicht dabei ist, bei denen Außenseiter ihren Platz in den Zeitungsnachrichten zu finden hoffen. Die Radsportgemeinde weiß: Solange »unsre Männer«, zu denen neben Schur Egon Adler, Lothar Höhne, Günter Lörke, Bernhard Eckstein aus Zwochau sowie der frischgebackene Friedensfahrtsieger Erich Hagen aus Leipzig gehörten, in der Gruppe der Favoriten mitfahren würden, ist alles in Ordnung – Hauptsache mittendrin.

Dann aber, als sechs Runden vor Schluss der starke Italiener Cerbini den Vorstoß wagt, ist Eckstein der einzige DDR-Fahrer, der ihm folgen kann. Hinzu gesellen sich prominente Pedaleure wie der Belgier Willy Vandenberghen, der zu den Favoriten zählt. Gegen sie dürfte Eckstein chancenlos sein, glaubt man auf den Rängen, schließlich heißt es, ihm würden zehn Zentimeter Körperlänge zum Weltklassefahrer fehlen.

Und was macht Täve Schur, die Goldhoffnung? Der kurbelt unerschrocken an der Spitze der Verfolger, die in Runde 17 mit stolzen anderthalb Minuten Rückstand gestoppt wird. Erst jetzt zieht Schur das Tempo an. Zu spät? Keineswegs. In der letzten Runde schließt Schur zur Spitze auf. Die Entscheidung fällt zwischen Vandenberghen, Schur und Eckstein.

Für Vandenberghen ist klar: Schur wird sich die Chance auf den dritten Weltmeistertitel in Folge nicht entgehen lassen. Also aufpassen. Dann aber die Überraschung. Vier Kilometer vor Schluss der Angriff – allerdings nicht von Schur, sondern von Bernhard Eckstein. Schur selbst unternimmt nichts, das irritiert den Belgier für einen Moment, er zögert, und tappt in die Falle. Eckstein gewinnt, es ist sein großer Auftritt. Schur wird im Zielsprint schließlich Zweiter vor Vandenberghen.

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