Planschen im Rollstuhl

Am Cospudener See gibt es etwas Besonderes – einen Badesteg für Menschen mit Handicap

  • Heidrun Böger, Leipzig
  • Lesedauer: 4 Min.
Der Cospudener See, beliebtes Ausflugsziel der Leipziger und ihrer Gäste, hat am Nordufer eine besondere Attraktion – einen Badesteg für Rollstuhlfahrer. Davon gibt es deutschlandweit nur drei, die anderen beiden befinden sich bei München, am dortigen Feringasee und am Feldmochinger See.
Planschen im Rollstuhl

Wer am Cospudener See – von den Leipzigern liebevoll Cossi genannt – entlangspaziert, sieht am Nordufer ein komisches Ding, das vom Strand ins Wasser führt und dort versinkt. »Sieht aus, als wenn den Bauarbeitern der Steg ins Wasser gerutscht wäre, und dann haben sie ihn einfach da liegen lassen«, meint Besucherin Ines Grabner. Doch dem ist nicht so. Der 2,50 Meter breite Badesteg ermöglicht es Rollstuhlfahrern, mühelos zu baden. Ganz unten auf der kleinen Plattform erreicht das Wasser eine Höhe von 1,10 Meter. Spezielle »Parkplätze« ermöglichen die Arretierung des Rollstuhles. Haltebuchten auf halber Höhe des Steges bieten außerdem die Möglichkeit, das Element Wasser zu erleben, ohne den Rollstuhl verlassen zu müssen.

Die Idee hatte Rolf Sondershaus, ein Mitarbeiter des Leipziger Behindertenverbandes, als er einen Mann ohne Beine durch den Sand ins Wasser robben sah. Das brachte Sondershaus auf die Idee des Rollstuhlbadestegs. Bis zur Umsetzung gingen dann allerdings zehn Jahre ins Land. »Ursprünglich sollte er im Juni 2000 eingeweiht werden anlässlich der Expo 2000, die auch in Leipzig stattfand«, blickt Gunter Jähnig, Geschäftsführer des Behindertenverbandes Leipzig, zurück. Doch damals platzte der Termin aus finanziellen Gründen. Jähnig und seine Mitstreiter waren sauer.

Sie blieben aber dran an der Sache, hakten immer wieder bei der Leipziger Stadtverwaltung und den Stadträten nach, so dass in diesem Sommer die Einweihung nachgeholt werden konnte. Der Steg führt mit einer Neigung von nur vier Prozent sanft ins Wasser. Badelustige Rollstuhlfahrer mit dem Merkzeichen aG im Schwerbehindertenausweis können mit ihrem Auto direkt zum Imbiss »Strandblick« der Servicestation 6 am Nordstrand des Cospudener Sees fahren. Zum Herablassen des Pollers wird ein so genannter Euro-Schlüssel benötigt. Am Imbiss steht auch der speziell fürs Wasser geeignete Rollstuhl, und rein geht´s ins nasse Vergnügen.

Begeistert von der neuen Möglichkeit ist zum Beispiel Martina Scholz, die bisher nur im Freibad schwimmen konnte. Die 52-Jährige geht jetzt regelmäßig am Cossi baden und bleibt auch nicht im Rollstuhl sitzen, sondern schwimmt über die Öffnungen am Ende des Stegs richtig raus: »Es ist sehr, sehr schön. Nur die vielen Algen stören im Moment, aber mit denen haben andere Badelustige ja auch zu kämpfen.« Zudem sei der Imbissbetreiber sehr nett und hilfsbereit. Einziger Wermutstropen für Martina Scholz, die im Leipziger Gesundheitsamt arbeitet, ist die derzeit gesperrte Behindertentoilette. Zum Umziehen müssen sie und die anderen Rollstuhlfahrer derzeit die normale Toilette benutzen: »Und die ist doch sehr eng.«

Wie aus der Stadtverwaltung Leipzig zu erfahren war, ist hier Abhilfe in Sicht. Gerald Biehl vom Amt für Stadtgrün und Gewässer: »Die Stadt lässt die Behindertentoilette gerade umbauen, damit auch hier der Euro-Schlüssel passt.« In den nächsten ein bis zwei Wochen sei mit der Umsetzung zu rechnen.

Über den Badesteg selbst ist auch Lutz Gatter des Lobes voll: »Das Rollibaden ist genial, ein richtiger Qualitätssprung. Ich bin oft dort und treffe viele andere. Da kommen auch Omas, die jetzt am Geländer entlang ins Wasser gehen können.«

Der Spezial-Rollstuhl, der nicht rostet, hat übrigens 1500 Euro gekostet, die Behinderten können ihn kostenlos ausleihen. »Ihn haben wir dem Verein Soroptimistische Hilfe Leipzig zu verdanken, wofür wir sehr dankbar sind«, meint Gunter Jähnig. Die Soroptimisten sind die weltweit größte Service-Organisation berufstätiger Frauen.

Der Rollstuhlbadesteg selbst ist 47 Meter lang und hat 165 000 Euro gekostet, finanziert wurde er von der Stadt Leipzig. Er ist nur eins der Projekte in Leipzig, das den Behinderten das Leben erleichtert. In der Innenstadt gibt es auch ein Aufsehen erregendes Blindenleitsystem, das im Boden eingelassen ist. Es hilft sehbehinderten Menschen, sich selbstständig zu orientieren. Rippenplatten dienen der taktilen Führung. Leider wird dieses Leitsystem aus Unwissenheit oft verstellt.

Und was den Badesteg am Cospudener See betrifft: Geht es nach den rührigen Mitgliedern des Leipziger Behindertenverbandes, werden weitere an den insgesamt 18 Badeseen im Leipziger Südraum gebaut. Gunter Jähnig: »Wir bleiben dran.«

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