Steine sammeln vor dem Castor

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Wenn im November der Castor-Transporter durch Deutschland rollt, will die Kampagne »Castor Schottern« erreichen, dass tausende Menschen die Steine aus den Gleisbetten entfernen. Mit dem Sprecher der Kampagne, TADZIO MÜLLER, sprach für ND SIMON POELCHAU.

ND: Wird sich der neue Atomkompromiss auf die Proteste gegen den Castor-Transporter auswirken?
POELCHAU: Mit Sicherheit: Der zwischen Regierung und Stromkonzernen in Nacht und Nebel verhandelte Atomkompromiss führt uns allen noch einmal überdeutlich vor Augen, dass Energiepolitik hierzulande absolut undemokratische, unsoziale und ökologisch nicht nachhaltige Politik ist. Dadurch macht er unseren Widerstand, insbesondere unsere Aktion »Castor Schottern!«, nicht nur legitimer und weniger angreifbar, er wird auch hunderte, tausende zusätzliche Menschen auf die Gleise und die Straße bringen.

Warum wollen Sie die Steine aus den Gleisbetten entfernen?
Wir wollen nichts weniger als den Castor auf seinem Weg ins Zwischenlager Gorleben stoppen. Wenn wir die Transportstrecke unterhöhlen, wird sie unbefahrbar. Im besten Fall muss der Castor zurück nach Frankreich fahren. Wir führen somit nur die Tradition des Castor-Widerstandes fort: Geschottert wurde schon immer, aber dieses Mal wollen wir die Schiene definitiv unbrauchbar machen.

Reicht da nicht eine Blockade?
Blockaden waren und sind ein effektives Mittel, die Fahrt des Castors zu verzögern. Auch in diesem Jahr wird es wieder Blockaden geben. Wir glauben aber auch, dass die Erfolge der Bewegungen der letzten Jahre, von Heiligendamm bis Dresden, von Jena bis Stuttgart, den Raum für zivilen Ungehorsam erweitert haben.

Wie ist es mit der juristischen Seite? Ein Blockade, wie zum Beispiel in Dresden im Februar 2010, ist bekanntlich eine Ordnungswidrigkeit. Ist die Entnahme von Steinen aus dem Schienenbett nicht eine Straftat?
»Castor-Schottern« ist legitim und notwendig. Ebenso wie die Blockaden gegen Nazis in Dresden ist es richtig, der Atomindustrie und der Bundesregierung massiven Widerstand entgegenzusetzen. Das werden wir tun. Und wir stehen dazu, denn: Wir tun das Notwendige, ob es durch Gesetze und Gerichte legalisiert wird, steht dabei nicht im Vordergrund. Im wilhelminischen Kaiserreich wurde beispielsweise mit staatlicher Gewalt gegen Gewerkschaften und streikende Arbeiter vorgegangen. Es bedurfte erheblicher Kämpfe, um die Aktionsform Streik zu etablieren. Blockaden und unser Schottern sollen ein menschenverachtendes Übel abwehren, und, auch wenn das jetzt etwas nach schwerem Pathos klingt, wir sehen unser Handeln in einer historischen Kontinuität mit den Kämpfen für das Wahlrecht oder in der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung.

Auf Ihrer Website richten Sie sich auch an Menschen aus der sozialen Bewegung und Antifaschisten. Wie ist das Verhältnis der Anti-AKW-Bewegung zu anderen Bewegungen?
Die Anti-AKW-Bewegung kann nicht als isolierte Bewegung betrachtet werden, sondern als Teil eines weiteren Feldes sozialer Bewegungen. Will sagen: Die Menschen, die beim Castor die Kunst der direkten Aktion, des zivilen Ungehorsams, des kollektiven und entschlossenen Regelbruchs gelernt haben, sind oft dieselben, die wir dann wiederum auf der Straße in Heiligendamm, in Dresden, in Stuttgart und bei den Sozialprotesten sehen.

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