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Zerrissene Nord-Union

Neuer Landeschef der CDU Schleswig-Holsteins vor einem Berg innerparteilicher Konflikte

  • Dieter Hanisch, Neumünster
  • Lesedauer: 3 Min.
Der neue starke Mann der schleswig-holsteinischen CDU heißt Christian von Boetticher, während Peter Harry Carstensen zum Auslaufmodell geworden ist. Hinter den Kulissen einer vermeintlich so geschlossen auftretenden Union rumort es indes gewaltig. Davon bekam der Parteitag in Neumünster aber nur wenig mit.

An der Basis der CDU in Schleswig-Holstein brodelt es, die Mitgliederzahlen sind kontinuierlich rückläufig, engagierte Frauen in Spitzenpositionen muss man mit der Lupe suchen. Derzeit zählt man noch 24 700 Parteibücher im Land zwischen Nord- und Ostsee – da feiert die CDU schon alle Neumitgliederwerber als wahre Helden. So darf sich der Ortsverband Aukrug als Belohnung auf diesem Gebiet auf einen Besuch der Kanzlerin Angela Merkel freuen.

Nach dem 30. August hat für die Partei eine neue Zeitrechnung begonnen. Das Landesverfassungsgericht in Schleswig hat festgestellt, dass die CDU in der Koalition mit der FDP nur noch übergangsweise regiert und dass es spätestens im September 2012 zu vorgezogenen Wahlen kommt. Damit begann die Carstensen-Uhr zu ticken, denn der 63-Jährige will sich keine neue Legislaturperiode mehr antun, wie er auf dem Parteitag in Neumünster offiziell mitteilte. Inzwischen wird gar damit gerechnet, dass der jetzige »Landesvater« in wenigen Monaten den Stab des Regierungschefs an seinen »Ziehsohn« von Boetticher weiterreicht, der dann mit dem Bonus des Amtsinhabers in eine neue Wahl um den Ministerpräsidentenposten gehen kann.

Der neue starke CDU-Mann von Boetticher, den auf bundespolitischer Ebene kaum jemand kennt, muss viele Konflikte in den eigenen Reihen lösen – eine Herkulesaufgabe, bei der ihm bestimmt nicht alle folgen werden. Er spricht sich im Gegensatz zu schleswig-holsteinischen Bundestagsabgeordneten und zum Bundespräsidium seiner Partei für die Beibehaltung der Wehrpflicht aus. Der Kreisverband Nordfriesland unterstützt in dieser Frage die neue bundespolitische Richtung, die Kreise Plön und Kiel wollen um keinen Preis die Wehrpflicht hergeben.

Die einen fürchten eine lange Hängepartie und einen späten Wahltermin, möchten so schnell wie möglich saubere Verhältnisse im Landtag und schlagen sich damit auf die Seite der Oppositionsparteien. Andere Kommunalpolitiker der CDU lassen in einem Bundesland, dass wie kaum ein anderes auf erneuerbare Energien setzt, kein gutes Haar am Merkelschen Atomdeal mit längeren Laufzeiten.

Während in ländlichen Regionen Widerstände gegen Gebiets- und Strukturreformen vorherrschen, um Besitzstände nicht preiszugeben, möchte der Kreisverband Lübeck die Debatte um einen gemeinsamen Nordstaat mit Hamburg forcieren.

Carstensen verliert kein böses Wort über den Koalitionär FDP. Er weiß, dass er diesen bei der Ein-Stimmen-Mehrheit im Parlament unbedingt benötigt, um sein wichtigstes Projekt, den Haushalt mit einem Berg an sozialen Einschnitten, noch bis Weihnachten durchzubringen. Dafür mäkelt er an Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble herum, weil der Geld aus den Einnahmen der Brennelementesteuer haben will, mahnt als sein aktuelles Lieblingsthema eisernes Sparen an, um griechische Verhältnisse zu vermeiden, und sinniert über eine Rente mit 75. Carstensen hat schließlich gut reden und kann in Kürze noch intensiver seiner Philosophie »Das Leben ist schön« nachgehen.

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