Gesundheit wird teurer

Scharfe Kritik an der Verabschiedung der Reformpläne durch das Kabinett

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Gesundheitsreform ist vom Bundeskabinett verabschiedet worden, soll am 30. September im Bundestag beraten werden und könnte am 1. Januar traurige Wirklichkeit für die gesetzlich Krankenversicherten werden.
Patienten sind die Verlierer dieser Reform. Sie sollen künftig alle Kostensteigerungen im Gesundheitssystem allein tragen.
Patienten sind die Verlierer dieser Reform. Sie sollen künftig alle Kostensteigerungen im Gesundheitssystem allein tragen.

Bis Weihnachten wird sich nicht viel tun. Gesundheitsreformen werden hier zu Lande stets so gestaltet, dass die Veränderungen in kleinen Schritten erfolgen. Im Januar steigt der allgemeine Beitragssatz. Später werden sich vermutlich vielfach Zusatzbeiträge ankündigen; wo sie vorhanden sind, könnten sie steigen. Wer sie nicht entrichtet, soll Strafe zahlen. Die Industrie wird vermutlich an der Preisspirale bei Medikamenten drehen, ermuntert von der Regierung und ihrem Arzneimittelgesetz. Der Steuerzuschuss für die Krankenkassen wird mit Sicherheit wieder in Frage gestellt werden. Pharmafirmen, Ärzte und Krankenhäuser könnten klagen, dass ihre Einnahmen zu wenig steigen, Unternehmer die weitere Absenkung ihrer Krankenkassenabgaben fordern. Nur der Versicherte wird nichts mehr fordern können. Er muss die steigenden Gesundheitsausgaben künftig allein bestreiten, das ist die entscheidende Botschaft von gestern.

Als massivsten Eingriff in die Architektur des Sozialstaats seit Bestehen der Bundesrepublik kritisiert der Paritätische Wohlfahrtsverband die Pläne. Sie seien unsozial und die Lizenz zum unbegrenzten Abkassieren der Versicherten. Die Volkssolidarität und der Sozialverband Deutschland fordern von der Bundesregierung den Erhalt und die Fortentwicklung der solidarischen Krankenversicherung, erklärten die beiden Verbandspräsidenten Prof. Dr. Gunnar Winkler und Adolf Bauer auf einer Fachveranstaltung am Mittwoch in Berlin. Das Vorhaben stehe für die Privatisierung der Gesundheitskosten und bedeute einen Systemwechsel, der durch die Festschreibung der Arbeitgeberbeiträge das Solidarprinzip auf den Kopf stelle. Ablehnung und Kritik kamen auch von den Grünen, der SPD, dem Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte sowie weiteren Organisationen und Verbänden. Sogar der CDU-Sozialflügel hat die schwarz-gelbe Reform als »sozial unausgewogen und bürokratisch« kritisiert.

»Diese Reform ist ein Systembruch. Sie ist gut für die Lobbyisten von Pharmaindustrie und Privater Krankenversicherung, aber Gift für den sozialen Frieden in Deutschland. Die Kopfpauschale ist eine unsoziale Zeitbombe, die eine solidarische Gesundheitsversicherung endgültig zum Platzen bringt«, urteilte Harald Weinberg von der LINKEN im Bundestag. Fraktionskollegin Martina Bunge nannte sie einen »Raubzug durch die Portemonnaies von Gering- und Normalverdienern und Patienten«.

Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler verteidigte seinen Gesetzentwurf als alternativlos. Mit seinem Gesetz komme eine unvertretbare Belastungswelle auf 90 Prozent der Bevölkerung zu, die Arbeitnehmer bis weit in die Mittelschicht hart treffen und Geringverdiener sowie Rentner bald überfordern werde, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Sie rief die CSU auf, das Gesetz noch zu stoppen. Der DGB will Unterschriften dagegen sammeln und kündigte einen Alternativvorschlag an.

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