Karpow will Iljumschinow Matt setzen

Bei der Schach-Olympiade in Chanty-Mansijsk werden heute die Präsidenten der FIDE und ECU gewählt

  • Dagobert Kohlmeyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Bei der Schacholympiade in Sibirien war gestern Halbzeit. Nach sechs Runden führten die Männer aus der Ukraine, Armenien und Georgien mit je elf Punkten. Das deutsche Quartett befand sich nach einem Sieg über Mexiko mit acht Punkten auf Rang 23. Bei den Frauen lag Russland mit 12 Punkten vor Ungarn (elf), die DSB-Damen mit ihrer bisher besten Einzelspielerin, der fünfmal erfolgreichen Judith Fuchs, trennten sich 2:2 von der Schweiz und liegen mit neun Zählern auf Platz 12.

Soweit der sportliche Stand der Dinge. Neben den Brettern der Schachspieler gibt es aber in Chanty-Mansijsk noch eine Parallelwelt, in der sich die Funktionäre des Denksports bewegen. Diese rückt heute in den Vordergrund: Am Rande der Olympiade werden die neuen Gremien des Weltschachbundes (FIDE) und der Europäischen Schachunion (ECU) gewählt.

Um den Posten des FIDE-Präsidenten streiten der Amtsinhaber Kirsan Iljumschinow und sein russischer Landsmann Anatoli Karpow. In einem erbitterten Wahlkampf spalteten beide die russische Föderation in der Frage, wer als Kandidat nominiert werden soll. Nachdem der Sitz des Verbandes durch eine Privatpolizei besetzt wurde, hat Karpow die Rechtmäßigkeit der Kandidatur von Iljumschinow vor dem Sportgerichtshof (CAS) in Lausanne in Frage gestellt. Der CAS wies die Klage nun mit der Begründung zurück, Karpow könne sich in dieser Sache nur an die Behörden in Moskau wenden.

Kirsan Iljumschinow, im Hauptberuf noch bis Oktober Präsident der südrussischen Republik Kalmückien, führt den Weltschachbund seit 1995 im Gutsherrenstil. Ex-Weltmeister Karpow möchte den umstrittenen FIDE-Boss ablösen und die Schachwelt erneuern. Er wirft dem Amtsinhaber vor, der Schachsport habe durch ihn seinen guten Ruf verloren. Im Alleingang hat Iljumschinow mehrmals das WM-Reglement geändert und verrückte Aktionen gestartet: 1996 wollte er die WM in Bagdad bei Saddam Hussein durchführen, die US-Regierung verweigerte Herausforderer Gata Kamsky aber das Visum. Kritik an seinem autoritären Stil lässt Iljumschinow nicht gelten. Er verweist darauf, 50 Millionen US-Dollar aus privater Schatulle in den Sport gepumpt zu haben.

Karpow muss die Delegierten beim FIDE-Kongress überzeugen, dass er ebenfalls Geld auftreiben und Sponsoren gewinnen kann. Seine Kandidatur wird von Deutschland sowie Staaten des Westens und der dritten Welt unterstützt. Doch Iljumschinow und seine Funktionärsriege kleben an ihrer Macht. Sie wollen auch künftig nicht auf Fünf-Sterne-Hotels und Sessel in der Business-Class verzichten. Das Wohl der Schachspieler interessiert sie weniger.

Die Wahl in Chanty-Mansijsk um die Posten in der Europäischen Schachunion (ECU) wird nicht weniger spannend. Um die Präsidentschaft in der »UEFA des Schachs« bewerben sich Ali Nihat Yacizi aus der Türkei, Topalow-Manager Silvio Danailow aus Bulgarien und DSB-Präsident Robert von Weizsäcker. Der deutsche Vertreter ist der honorigste dieses Trios. Aber wird das ausreichen? Seine Kontrahenten ziehen seit Jahren in der Schachwelt ihre Strippen und haben mehr Verbindungen zu potenten Geldgebern als der Münchner Ökonomieprofessor. Der DSB hingegen konnte aus finanzieller Not nicht mal die besten Großmeister zur Olympiade schicken.

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