In der selbst gestellten Falle

Sachsen-Anhalts SPD verabschiedet ein Programm, dessen Umsetzung sie zugleich ausschließt

  • Hendrik Lasch, Dessau
  • Lesedauer: 3 Min.
Die SPD in Sachsen-Anhalt hat ein Wahlprogramm beschlossen, von dem derzeit nicht erkennbar ist, wie es verwirklicht werden soll. Derweil zieht sich ein enger Mitstreiter des SPD-Spitzenkandidaten aus der Landespolitik zurück.

Als die SPD nach der Wahl 2006 in Sachsen-Anhalt als kleiner Partner der CDU in die Regierung eintrat, wurden manche ihrer Wünsche in den Koalitionsvertrag geschrieben; in einer Herzensangelegenheit, der Reform des Schulsystems, bissen die Sozialdemokraten beim großen Regierungspartner aber auf Granit. Also wurde ein Bildungskonvent ins Leben gerufen – getreu der Devise: Wenn man mal nicht weiter weiß, gründet man nen Arbeitskreis.

Nach der Wahl im März 2011 könnte es in Sachsen-Anhalt viele solcher Konvente geben: zum Mindestlohn, zur Ganztagsbetreuung in Kitas, zur Frage von Privatisierung und öffentlicher Daseinsvorsorge und erneut zu Schule und längerem gemeinsamen Lernen. All das sind zentrale Forderungen in dem Wahlprogramm, das die SPD am Sonnabend beschlossen hat. Nach derzeitigem Stand der Dinge ist aber nicht recht vorstellbar, wie die ambitionierten Vorhaben in die Tat umgesetzt werden könnten. Mit dem bisherigen Partner CDU jedenfalls werden die meisten Ziele fromme Wünsche bleiben, wie man bei der SPD nur allzu gut weiß.

Neun Prozentpunkte

Sachsen-Anhalts SPD-Landeschefin Katrin Budde selbst bezeichnete die Union als »Bildungsblockierer und Chancenverbauer«, weil diese in der Schulfrage stur bleibt. Einen »Skandal« nannte es Budde, dass staatliche Aufträge weiter an Firmen gehen können, die Niedriglöhne zahlen. Dass dem ein Riegel vorgeschoben wird, hat, wie sie betont, »die CDU verhindert«. Dass sich dies im kommenden Jahr plötzlich ändern könnte, ist nicht abzusehen; der CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl, Reiner Haseloff, gilt als ein Verfechter niedriger Löhne.

Weniger Schwierigkeiten hätte die SPD, sich in den von Budde aufgelisteten zentralen Punkten mit der LINKEN zu einigen. Sie finden sich allesamt auch in deren Wahlprogramm, das in zwei Wochen beschlossen werden soll.

Die SPD steckt aber in einer von ihr selbst gestellten Falle. Zwar schließen Budde wie auch SPD-Spitzenkandidat Jens Bullerjahn eine rot-rote Koalition nicht aus. Man werde bis zum 20. März »nicht nachdenken, mit wem wir regieren«, sagt Bullerjahn. Allerdings gebe es »eine Einschränkung«: Weil man die LINKE vor allem in Finanzdingen nicht als verlässlich ansieht, werde die SPD keinen Politiker der LINKEN zum Regierungschef wählen. Damit freilich stehen die Zeichen derzeit auf Fortsetzung der Koalition mit der CDU: In Umfragen liegt die SPD mit 21 Prozent klar hinter Linkspartei und CDU mit je 30 Prozent. Bullerjahn verweist zwar auf seine eigenen guten Bekanntheitswerte und den Umstand, dass der SPD in etlichen Feldern die höchste Kompetenz zugebilligt wird. Das solle sie »offensiv vertreten und nicht herumhängen wie ein Trümmerhaufen«, sagt er. Dass demonstrativer Optimismus aber reichen könnte, um die Konkurrenz zu überflügeln, ist momentan nicht erkennbar.

Bullerjahns Vertrauter geht

Immerhin bleibt der SPD im Wahlkampf eine mögliche Personaldiskussion um Rüdiger Erben, den Staatssekretär im Innenministerium, erspart. Dieser sieht sich derzeit mit dem Vorwurf konfrontiert, in einem Untersuchungsausschuss die Unwahrheit gesagt zu haben. Am Freitag kündigte Erben, der eine steile Karriere vom Lokalpolitiker über ein Landratsamt an die Ministeriumsspitze absolvierte und als enger Vertrauter von Bullerjahn sowie designierter Minister gilt, aber seinen Rückzug an: Er wolle Bürgermeister im 9000 Einwohner zählenden Teuchern werden.

Der 42-jährige nannte als Grund den hohen medialen Druck: »Auch ein dickes Fell kann löchrig werden«. Bullerjahn erklärte bedauernd, er habe die Entscheidung zu respektieren. Parteichefin Budde indes schlug eine kühne Volte, um den Abgang schönzureden: Die SPD sei in den Kommunen »schwach auf der Brust«; jeder, der dort bei Wahlen antrete, verdiene Respekt. Die Partei solle nun helfen, »eine Gemeinde mehr zu gewinnen«.

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