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Hohe Kunst im Grand Palais

Die Fecht-Weltmeisterschaften in Paris begeistern dank einer grandiosen Kulisse Athleten und Zuschauer

  • Dietmar Fuchs, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
In Paris ist eine neue Dimension des Fechtens entdeckt worden. Im historischen Grand Palais kreuzen die weltbesten Degen-, Säbel- oder Florettexperten die Klinge – und Frankreichs Hauptstadt geht euphorisch mit.

Die Pariser Inszenierung gehört zum Beeindruckendsten in der Fecht-Historie: Dort, wo sonst die Werke bedeutender Künstler präsentiert werden, kämpfen in diesen Tagen die besten Planchen-Künstler mit Säbel, Degen und Florett um WM-Titel und Medaillen. Nicolas Limbach schwärmt vom 110 Jahre alten Grand Palais: »Das, was hier an Fechten präsentiert wird, ist Champions League.«

Der WM-Zweite mit dem Säbel bekommt glänzende Augen, wenn er darüber spricht, was es für ihn und seine Mitstreiter aus 111 Ländern bedeutet, als Plattform ein historisches Ambiente präsentiert zu bekommen, das an Schönheit kaum zu überbieten ist. Der Grand Palais, ein für die Weltausstellung 1900 errichtetes Bauwerk aus Eisen und Glas, beherbergt nun eine Sportveranstaltung.

»Das ist für den Fechtsport eine tolle Geschichte«, meint auch der deutsche Verbandspräsident Gordon Rapp. Vier bis fünf Millionen Euro soll das Event kosten, das die Franzosen unmittelbar neben den weltberühmten Champs-Elysées und in Sichtweite des Eiffelturms ins Leben gerufen haben. Viel Geld, zu viel, wollen Insider der Fechtszene wissen, die davon munkelten, dass sich die französischen Organisatoren finanziell heftig übernommen hätten.

Davon spürt kein Mensch etwas, wenn er diesen wundervollen Kuppelbau mit seinem kathedralenhaften Inneren betritt und die Center-Court-Atmosphäre bei den Finalgefechten auf sich wirken lässt. 5000 Besucher, in der Regel sehr fecht-affin, lassen sich treiben, singen lauthals mit, wenn ihnen von einem Animateur der alte Schlager »Oh, Champs-Elysées« als Karaokenummer aufgedrängt wird. Es ist jeden Abend ein Fest des Fechtens, was hier geschieht.

Manfred Kaspar, Sportdirektor des Deutschen Fechter-Bundes, genießt es, wie alle: »Toll. Das ist der Wahnsinn.« Mit dezentem Grausen denkt der 58-Jährige an Antalya 2009 zurück, wo sich in einer Messehalle zu Spitzenzeiten ein paar Hundert Fans verloren, um dem Treiben auf der Planche zuzuschauen. Im Mutterland des Fechtens, im Land der drei Musketiere, ist es schon fast eine gesellschaftliche Pflicht der Pariser, sich sehen zu lassen.

Allein: Gold ist nicht alles, was im Grand Palais glänzt. Es zieht mächtig, mal ist es zu kalt, mal ist es zu warm. Die Gastronomie macht mittendrin schon mal Pause, obwohl viele Hungrige oder Durstige versorgt werden wollen. Die Damenwelt bildet vor den Toiletten lange Schlangen: klar, es ist ja ein Museum, kein Sportpalast. Dass der Ablaufplan hin und wieder um 60 oder mehr Minuten aus dem Takt gerät, wird verziehen. »Man muss einfach drüber wegschauen«, sagt Kaspar im Hochgefühl des historisch-eleganten Ambientes.

Paris hat Maßstäbe gesetzt, Rapp hat Lust auf Ähnliches bekommen. Ja, so etwas sei auch in Deutschland möglich. Düsseldorf schwebt dem DFeB-Präsidenten vor, 2011 Schauplatz des Eurovision Song Contest. Handicap: das Bare. »Die Weltmeisterschaften hier sind doppelt so teuer wie unsere letzte WM 2005 in Leipzig.« Aber Träume erlaubt man sich – der Grand Palais macht's möglich.

Im Übrigen: Gefochten wird auch. Gestern erreichten die deutschen Florettkämpferinnen das Gefecht um Platz drei gegen Südkorea (nach Redaktionsschluss). Im Halbfinale hatten Katja Wächter, Sandra Bingenheimer, Carolin Golubytskyi (Tauberbischofsheim) und Martina Zacke (Berlin) gegen die Titelverteidigerinnen aus Italien verloren. Mit dem Säbel waren die russischen Mannschaften am Vortag die besten. Die Männer schlugen Italien mit 45:41, die Frauen entthronten die Ukraine mit 45:33. Die deutschen Teams belegten die Plätze fünf bei den Männern und zehn bei den Frauen.

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