In Hamburg nicht abheben

Die Linksfraktion zieht nach drei Jahren Bürgerschaft eine positive Bilanz

  • Susann Witt-Stahl, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach drei Jahren Hamburgischer Bürgerschaft ziehen die LINKEN Bilanz und gleich weiter in den Wahlkampf.

Vieles, was die LINKE in der Hansestadt angepackt habe, sei gelungen, freut sich Vizefraktionschef Norbert Hackbusch. Aber es gelte, der zunehmenden sozialen Spaltung in der Stadt zu begegnen. »Dieses Thema war und ist Kern unserer Politik«. Die Fraktion hatte am Montagabend Parteimitglieder und Bürger zur öffentlichen Bilanz ins Hamburger Rathaus geladen. Die muss die LINKE früher als erwartet ziehen. Im November haben die Grünen ihre Koalition mit der CDU nach knapp drei Jahren platzen lassen. Daher stehen am 20. Februar Neuwahlen an.

Der »bunte Haufen« der ersten Linksfraktion, die im Frühjahr 2008 in die Bürgerschaft gewählt worden war, habe eine Menge Spott geerntet, so Hackbusch. »Das wandelte sich aber schon nach kurzer Zeit, als wir mit Zähigkeit, Fleiß und Mut unsere Themen gesetzt und besetzt haben.«

Mietwohnungen und Bürgerticket

Einer der fleißigsten, Joachim Bischoff, Fachsprecher für Haushalt, Finanzen, Verkehr, Stadtentwicklung, wies auf den dramatischen Rückgang des sozialen Wohnungsbaus hin und die kontinuierlichen Fahrpreiserhöhungen im öffentlichen Nahverkehr: Der Mietwohnungsbau müsse mit 8000 neuen Einheiten pro Jahr angekurbelt werden. Und »auf mittlere Sicht muss ein kostenfreies Bürgerticket her«, nannte Bischoff zwei Konzepte zur Armutsbekämpfung. Besonders engagiert sich die LINKE auch für demokratische Rechte und gegen Polizeiübergriffe. Nicht zuletzt, weil die Grünen »schläfrig« gewesen und die CDU lieber »möglichst hart für einen starken Staat eingetreten« seien, so Hackbusch.

Auch ein tragisches Kapitel wurde aufgeschlagen: Die gescheiterte Schulreform. Für Fraktionschefin Dora Heyenn dennoch kein Grund zur Resignation. Daher hat sie kein Verständnis für die »Rolle rückwärts« von Schulsenatorin Christa Goetsch, die jüngst entlassen wurde. Die hatte es als Fehler bezeichnet, die Einführung der Primarschule flächendeckend zu fordern. »Das sehen wir ganz anders«, bekräftigte Heyenn die Forderung ihrer Partei, mit der »Schule für alle« den gemeinsamen Schulbesuch bis zur 10. Klasse zu ermöglichen.

Heftige Kritik gab es nicht nur am »Endzeit-Senat«, so Heyenn über Schwarz-Grün, sondern auch am Nachbarn auf der Oppositionsbank SPD, die am vergangenen Mittwoch geschlossen gegen den Gesetzesantrag der Linksfraktion zur Abschaffung der Studiengebühren gestimmt hat: »Die SPD behauptet, sie sei gegen Studiengebühren. Dann verhindert sie aber die Abschaffung, weil das angeblich nicht finanzierbar ist«, sagte Heyenn wütend. »Das ist unseriös.«

Neben viel Lob und Anerkennung (»Ihr seid acht Leute, habt aber gewirkt wie achtzig!«) gab es auch Misstöne aus dem Publikum: »Die Linkspartei ist zu gewerkschaftslastig.« Wolle die LINKE glaubhaft bleiben, müsse sie auf Distanz zu den Gewerkschaften gehen, die Hartz IV unterstützten und die Erwerbslosen verraten hätten.

Außenmotor der Gewerkschaften

Kersten Artus, gewerkschaftspolitische Sprecherin der Fraktion, räumte zwar ein, dass Teile der Agenda von ver.di und anderen großen Gewerkschaften, wie eine Mindestlohnforderung von 7,50 Euro, »peinlich« seien. Umso wichtiger sei aber die Rolle ihrer Partei als linker Motor von außen: »Wir wirken da doch rein«, sagte Artus, die das Verhältnis der Hamburger LINKEN zu den Gewerkschaften als »erfrischend normal« bezeichnete.

Als überaus erfolgreich wird die Kooperation mit den sozialen Bewegungen bewertet, wie dem Netzwerk Recht auf Stadt oder den Flüchtlingsräten. »Wir sind heute viel stärker verankert als vor drei Jahren«, stellte Norbert Hackbusch fest und versprach, auch zukünftig »nicht abzuheben unter dem Dach des Rathauses«.

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