Das Amtsgeheimnis ist zäh

Trotz zahlreicher Gesetze handeln Behörden alles andere als transparent

Informationsfreiheitsgesetze sind kaum bekannt und haben den Geruch von staubigen Aktendeckeln. Zu Unrecht. Sie könnten Grundlage für mehr Transparenz von Regierungs- und Verwaltungshandeln sein.

Skandale wie um die Verschmutzung von Lebensmitteln sind in der Sache verzichtbar. Sie können allerdings Dinge ins Rollen bringen. So hat die Überarbeitung des Verbraucherinformationsgesetzes (VIG) bis vor ein paar Wochen kaum jemanden interessiert – nun wird genau hingeschaut, ob die Behörden wirklich zu mehr Transparenz verpflichtet werden. Insbesondere bei Verstößen soll in Zukunft das Informationsinteresse der Verbraucher Vorrang vor den Belangen betroffener Unternehmer haben, kündigt das zuständige Ministerium an.

Der Dioxinskandal hat einen Knackpunkt offenbart, der auch bei der Anwendung der anderen Informationsgesetze, die es derzeit gibt, ein Hauptkonflikt ist. Das Recht auf Zugang zu behördlichen Unterlagen könnte ein machtvolles Mittel sein, schaut man sich an, dass es dabei um EU-Agrarsubventionen, Maut-Verträge, CIA-Flugpläne oder Gutachten zu Stuttgart 21 gehen kann. Doch fünf Jahre nach Einführung des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) – seit Januar 2006 Grundlage für alle Anfragen, die nicht Lebensmittel oder Umwelt betreffen – sind viele ernüchtert: statt »offener Daten« lange Bearbeitungszeiten, mauernde Behörden und ständige Verweise auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Schriftwechsel und Gerichtsverfahren wachsen sich leicht zur unendlichen Geschichte aus. So herrscht eher schlechte Stimmung bei den diversen Geburtstagsfeiern in diesem Monat.

Verbände, neben Journalisten derzeit die Hauptanwender, sind gereizt. Man werde als Bittsteller behandelt, nicht als Rechteinhaber, kritisiert Cornelia Ziehm von der deutschen Umwelthilfe und zwar nicht nach fünf Jahren IFG, sondern nach fast 15 Jahren Umweltinformationsgesetz, das für ihren Bereich maßgeblich ist. Es gilt als inhaltlich weniger restriktiv als ähnliche Gesetze. Umso schwerer wiegt Ziehms pessimistische Einschätzung: »Die Verwaltung ändert sich nicht von selbst.« Die Politik müsse Druck machen.

Insbesondere drei Punkte sollten nach Auffassung der Kritiker verbessert werden: So sollten Verträge zwischen der öffentlichen Hand und Privatunternehmen einsehbar sein. Zudem sollte der Staat von sich aus Informationen freigeben und nicht erst auf Anträge von Bürgern hin. Schließlich müssten Allzweckwaffen wie »Geschäftsgeheimnis« oder »Regierungshandeln« entschärft werden. Allein schon durch die Zusammenführung der auf verschiedene Gesetze verteilten Auskunftsrechte versprechen sich Organisationen ein Mehr an Transparenz.

Während Verbände die Politik in die Pflicht nehmen, dreht diese den Spieß um. Es sei auch die Schuld der Bürger, wenn sie ihre Rechte nicht nutzen, findet FDP-Politikerin Gisela Piltz, die sich für die Einführung des IFG eingesetzt hatte. Aus ihrer Sicht ist der fünfte Geburtstag durchaus ein Grund zum Feiern. Immerhin sei das Kind auf der Welt und habe Laufen gelernt. Auf Wunsch ihrer Partei hat sich die Bundesregierung die Weiterentwicklung zu einem einheitlichen Bürgerinformationsgesetz vorgenommen. Doch passiert ist bisher nicht viel. Nach Auskunft von Piltz stelle der Innenausschuss gerade Fragen für eine Evaluation zusammen. Sie dämpft jedoch zu große Erwartungen: Gesetze zusammenzuführen sei schwieriger als einzelne zu verbessern. Änderungen beim Betriebsgeheimnis erteilte sie bereits eine Absage: Das sei ein klassischer Fall konkurrierender Rechte.

Peter Schaar, der die Informationsfreiheit überwachen soll, hat ebenfalls Kritik, ist aber geduldiger. Er hält Verbesserungen für nötig, mag aber auch die prinzipielle Skepsis nicht teilen. Auch Verwaltungen seien »lernfähige Systeme«. Die Zeit arbeite für die Informationsfreiheit, ist er überzeugt.

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