Syrer hoffen auf Reformen, einen Umsturz lehnen sie ab
Präsident Assad weiß Militär und Großteil der Bürger hinter sich
Heute Nacht werden viele arabische Despoten vermutlich schlecht schlafen, allen voran Baschar (al- Assad) und auch in Sudan muss sich der Herrscher (Omar al-Baschir, d.Red.) fürchten«, kommentierte ein deutscher Korrespondent in Kairo nach dem Rücktritt des ägyptischen Präsidenten. Nie hätte er die Entwicklung in Ägypten für möglich gehalten, aber wer weiß, vielleicht berichte er »in zwei Wochen schon aus Damaskus«.
Solche Prognose lässt Damaskus kalt. Nicht ein Wort verlor der syrische Präsident Baschar al-Assad zum politischen Ende Husni Mubaraks. Dass beide keine engen Freunde waren, ist kein Geheimnis. Die syrischen Medien allerdings feierten den Sturz des Pharao. Das »Gesicht Ägyptens, der Region und der gesamten Welt« werde sich ändern«, hieß es in der staatlichen Baath-Zeitung. Mubarak habe »im Dienst der Zionisten und der amerikanischen Pläne gestanden«, Israel werde nun seine Politik überdenken müssen, weil es nach der Türkei mit Mubarak einen weiteren Bündnispartner verloren habe.
Das Alltagsgeschäft der syrischen Regierung geht derweil unverändert weiter. Der Präsident empfing den irakischen Präsidenten Jalal Talabani und den italienischen Außenminister Franco Frattini und überließ es seinem Chefdiplomaten und Außenminister Walid al-Moallem, die Ereignisse zu kommentieren. Alle politischen Entscheidungen in Ägypten seien eine »innere Angelegenheit« in die Syrien sich nicht einmische, sagte dieser. Man hoffe, Ägypten werde eine angemessene Rolle in der arabischen Welt spielen.
Der Stellvertretende Ministerpräsident für wirtschaftliche Angelegenheiten, Abdullah Dardari, führt derweil Gespräche in Malaysia und Ministerpräsident Naji Otri suspendiert wie fast jeden Tag staatliche Angestellte wegen Korruption. Die Regierung lehnt eine Sonderkontrolle der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO ab, die eine Baustelle in Deir Al Zor inspizieren will, auf der nach US-Geheimdienstangaben ein Atomreaktor entstehen soll. Das Staatssicherheitsgericht verhängt eine Haftstrafe von fünf Jahren für eine 19jährige Studentin, die für den CIA spioniert haben soll und Präsident Assad unterzeichnet Gesetzeserlässe zur Senkung von Einfuhrzöllen für Milchpulver, Kaffee, Tee, Reis und Bananen um bis zu 40 Prozent sowie Konsumsteuern für Pflanzenöl, Margarine, Butterfett, Röstkaffee und Zucker. Facebook und Youtube, in Syrien gesperrt seit 2007, wurde freigegeben, wo seit einigen Tagen ein Video zu sehen ist, dass heftige Schlägereien zwischen aufgebrachten Syrern und der Polizei zeigt. Ein Polizeibeamter hatte einen Taxifahrer beleidigt und geschlagen, woraufhin dieser mit hunderten Männern zurückkam, um den Polizisten und einige seiner Kollegen zu verprügeln.
Natürlich müsse sich das Land politisch ändern, sagt Tarik, der seinen richtigen Namen nicht nennen möchte. Der Ausnahmezustand, der mit dem Kriegszustand mit Israel begründet wird, müsse aufgehoben, Meinungsfreiheit und neue Parteien müssten zugelassen werden. Er hoffe auf die bevorstehenden Parlaments- und Stadtratswahlen im Frühjahr und auf den Parteitag der Baath-Partei Ende des Jahres, bei denen sich etwas ändern werde. Vieles habe sich in den letzten zehn Jahren schon geändert, fügt sein Freund Walid (Name geändert) hinzu. Beide haben die Ereignisse in Ägypten und Tunesien fast rund um die Uhr über den arabischen Nachrichtensender Al Dschasira verfolgt. »Der junge Assad ist ein Doktor, er hat einen ganz anderen Führungsstil, als sein Vater.« Ein Massaker, wie es Hafez al-Assad 1982 an den Muslimbrüdern in Hama anordnete, werde es unter Baschar nicht geben. Das Militär, das sich in Tunesien und Ägypten von den Präsidenten abwandte, steht in Syrien fest hinter Assad.
Baschar al-Assad und seine Frau Asma sind bei den Syrern beliebt. Sie sind jung und setzen sich für Kinder, Behinderte, für Bildung und für Reformen ein. Unter der Schirmherrschaft der Präsidentengattin sind zahlreiche Nichtregierungsorganisationen entstanden, in denen sozial engagierte junge Leute viele ihrer Vorstellungen verwirklichen können. Die feste Haltung Assads gegen den Krieg in Irak (2003), sein militärischer Rückzug aus Libanon nach dem Anschlag auf Rafik Hariri (2005), seine billigende Position zum Widerstand der Hisbollah im Libanonkrieg (2006) und sein Beharren auf der Rückgabe des von Israel besetzten Golan, haben ihn weit über die Grenzen Syriens hinaus beliebt gemacht.
Die Armut ist groß, die Lebensbedingungen vieler Syrer sind erbärmlich, viele Sorgen quälen die Menschen. Unmut gibt es über ausufernde Bürokratie und Angst vor einem allmächtigen Sicherheitsapparat. Doch die Umstellung von Plan- auf Marktwirtschaft sorgt für eine neue Mittelschicht, die von der wirtschaftlichen Öffnung des Landes profitiert. Diejenigen, die in Ägypten für den Sturz des Regimes 18 Tage lang demonstrierten, stehen in Syrien mehrheitlich hinter dem Präsidenten. Schließlich ist es das Beispiel des zerstörten Irak, das die Syrer auf Reformen hoffen lässt, statt auf einen Umsturz mit zweifelhaften Helfern und ungewissem Ausgang. Mehr als eine Million irakische Flüchtlinge halten den Syrern täglich den Spiegel vor.
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