IHK: Rückkauf senkt Energiepreise nicht

Berliner Wirtschaft bringt sich in die Diskussion um die Rekommunalisierung ein

In der Vattenfall-Netzwarte
In der Vattenfall-Netzwarte

Die Berliner Wirtschaft hält nicht viel von den Plänen des Senats, die Daseinsvorsorge enger an sich zu binden. Einer Rekommunalisierung der Strom- und Gasversorgung erteilt Jan Eder gestern auf einer Pressefahrt mit Vattenfall eine Absage. Für den Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) ist das Vorhaben finanziell nicht umsetzbar: »Berlin hat über 60 Milliarden Euro Schulden. Für einen Rückkauf müssten neue Kredite aufgenommen werden«, gibt Eder zu bedenken. Eder bezweifelt zudem, dass ein Rückkauf die Versorgungspreise für den Verbraucher senken kann. Für ihn sind das Glücksversprechen der Politik in Zeiten des Wahlkampfes.

Dagegen hält Wirtschaftssenator Harald Wolf (LINKE) den Versuch, auf den Energiemarkt Einfluss zu nehmen, nicht für absonderlich: »Wer glauben machen will, es handle sich bei der Rekommunalisierungsdebatte um einen Ausfluss linker Verstaatlichungsphantasien, schaue über den Berliner Tellerrand hinaus. Die gesamte Bundesrepublik wird im Moment von einer regelrechten Rekommunalisierungswelle erfasst.« Vielerorts versuchen die Kommunen, Privatisierungen wieder rückgängig zu machen, um politischen Spielraum zu gewinnen. Wolf verfolgt die Absicht, eine »Entwicklungsplattform Berlin Energie« zu gründen. Das öffentliche Unternehmen soll nicht nur an der Energieerzeugung beteiligt werden, sondern auch auf den Betrieb der Netze für Strom, Gas und Fernwärme Einfluss nehmen.

Der Volksentscheid zu den Wasserbetrieben hat die Diskussion um einen Rückkauf ehemals kommunaler Versorgungsbetriebe noch mal intensiviert. In Berlin ist mit dem Teilverkauf von Anteilen an den Wasserbetrieben der Preis für Wasser stark angestiegen. Daraus will Wirtschaftssenator Wolf lernen; er sieht zentrale Bereiche der Daseinsvorsorge besser in kommunaler Verantwortung aufgehoben.

Hohe Renditen wie bei der Wasserversorgung seien allerdings auf dem Strom- und Gasmarkt gar nicht möglich, meint Erik Landeck, der Geschäftsführer von Vattenfall Berlin. »Mit Strom lässt sich kein schnelles Geld machen.« Grund dafür: Die Regulierungsbehörde überwacht die Grundversorger streng und hat die Gewinne für Netzanbieter gedeckelt. Die Energieversorgung lasse zwar stabile, aber nur niedrige Renditen zu, so Landeck. Um diese Gewinne geht es auch dem Wirtschaftssenator. Die möchte er wieder in kommunaler Verantwortung sehen, damit sie »zu hundert Prozent wieder für öffentlichen Aufgaben zur Verfügung stehen«.

Es ändere sich gar nichts, wenn der Senat in der Energieversorgung eingreift, glaubt IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder. Er traut der Berlin Energie nur den Erwerb von »Minderheitenanteilen« zu. Grundversorger bleibe Vattenfall, und der Konzern leiste qualitativ eine gute Arbeit. Ein Stromausfall ist höchst selten – im vergangenen Jahr waren es gerade einmal zwölf Minuten pro Kunde. Das ist weit unter dem Durchschnitt. Zudem sieht sich Vattenfall bereits auf einen guten Weg hin zu einer dezentralen Stromerzeugung: Der Konzern nahm in Oktober ein virtuelles Kraftwerk in Betrieb. In einer Leitzentrale wird die Energieerzeugung gesteuert und je nach Bedarf Strom und Wärme ins Netz eingespeist. Somit können dezentrale Anlagen koordiniert werden. Bis zum Jahresende möchte Vattenfall in Berlin 100 000 Wohneinheiten an das virtuelle Kraftwerk anschließen. Im kommenden Jahr sollen es 150 000 sein.

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