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Gleichstellung per Gesetz

  • Thomas Händel
  • Lesedauer: 3 Min.
»Die Emanzipation der Frau wie die des ganzen Menschengeschlechts wird ausschließlich das Werk der Emanzipation der Arbeit vom Kapital sein.«, erklärte Clara Zetkin auf dem Internationalen Arbeiterkongress in Paris 1889. Man kann durchaus sagen, zum ebenfalls von ihr mitinitiierten und 100. Internationalen Frauentag ist viel erreicht. Aber bei weitem nicht genug.
Der Autor ist Europaabgeordneter der LINKEN und Mitglied im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten.
Der Autor ist Europaabgeordneter der LINKEN und Mitglied im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten.

Unzweifelhaft haben wir in den letzten Jahren Fortschritte bei der Gleichstellung erreicht. Dennoch gibt es immer noch viele Frauen, die in gering qualifizierte Beschäftigung abgedrängt werden. Das gilt nicht nur für Tätigkeiten, die traditionell innerhalb der Familie verrichtet werden. In der Deregulierung der letzten Jahre ist die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung häufig in atypische, prekäre und ungesicherte Arbeitsverhältnisse umgewandelt worden. Davon sind besonders Frauen betroffen. Die europäische Beschäftigungsentwicklung von 2000 bis 2010 umfasst 60 Prozent neue prekäre und atypische Beschäftigungsverhältnisse, zwei Drittel davon sind Frauen »vorbehalten«. Häufig wird ihnen demokratische Mitwirkung in Betrieben aufgrund Teilzeitbeschäftigung und prekärer Beschäftigung verweigert. Frauen sind heute wesentlich stärker engagiert und besser ausgebildet als in allen Generationen davor. Trotzdem verdienen sie im Durchschnitt 25 Prozent weniger als Männer.

Es bleibt also viel zu tun auf dem Weg zu echter Gleichberechtigung und Gleichbehandlung. Einen weiteren Schritt hat jetzt der Europäische Gerichtshof (EuGH) unternommen. Die offene und klare Diskriminierung von Frauen bei Versicherungen ist wider die Europäischen Verträge, so eine kürzlich ergangene Entscheidung des EuGH, der dieser Praxis damit ein Ende setzt. Die Versicherungswirtschaft verwies bei der Ungleichbehandlung bisher immer auf versicherungsmathematische und statistische Daten. Das bedeutet u.a., dass Frauen mehr zahlen müssen und niedrigere Leistungen bekommen, weil sie im Schnitt länger leben als Männer. Um dieser Praxis abzuhelfen, wurde schon im Dezember 2004 die Richtlinie zur Verwirklichung der Gleichstellung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen verabschiedet. Diese verpflichtete die Mitgliedsstaaten, bis 2007 die gesetzlichen Regelungen so zu gestalten, dass Versicherungen, die nach dem 21.12.2007 abgeschlossen werden, keine geschlechtsdifferenzierten Prämien und Leistungen enthalten.

Eigentlich hätte diese Regelung und ihre entsprechende Umsetzung ein Meilenstein gegen die Diskriminierung von Frauen in der Versicherungswirtschaft sein können. Allerdings konnten diese Bemühungen bisher durch die Anwendung eines Ausnahmeparagrafen ad absurdum geführt werden. Danach konnte unterschiedlich behandelt werden, wenn das Geschlecht bei den versicherungsmathematischen und statistischen Daten ein bestimmender Faktor ist. Eben diese Ausnahme hat der EuGH nun mit seiner Entscheidung kassiert.

Ungewöhnlich ist, dass der EuGH eine Richtlinie teilweise für unwirksam erklärt hat. Üblicherweise werden nationale Gesetze auf Europakonformität geprüft. Diese Entscheidung aber ist eine schallende Ohrfeige für den damaligen Europäischen Rat. Bemerkenswert auch, dass sich der EuGH ausdrücklich auf Artikel 21 und 23 der Charta der Grundrechte der EU beruft. Die Charta steht seit dem Vertrag von Lissabon auf der gleichen rechtlichen Stufe wie die anderen europäischen Verträge. Das ist erfreulich für die Menschen in Europa, in diesem Fall insbesondere für die Frauen.

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