Ungewöhnliche Blockbildung

Rot-Grün kritisiert die Libyen-Enthaltung Westerwelles scharf CDU, FDP und LINKE skeptisch – aus unterschiedlichen Gründen

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
Vor dem Wochenende hatten SPD und Grüne die Enthaltung Deutschlands zur Libyen-Resolution noch begrüßt – am Montag ist alles anders. Die Bundesregierung verteidigt ihre Haltung, will aber schnell mit AWACS-Entlastungseinsätzen beginnen.

Die Koalition der Willigen bringt in Deutschland die gewohnte Lagerbildung durcheinander. Kritik an den Bombenangriffen kommt einerseits von links – und aus der konservativen Ecke. So verteidigte Unionsfraktionschef Volker Kauder die Enthaltung bei der UN im ZDF-Morgenmagazin: Die Aktion wirke »nicht richtig durchdacht«. In Libyen herrsche ein »typischer Bürgerkrieg«, der zur Teilung des Landes führen könne. Kauder sprach von einer »ganz undurchsichtigen Sache« und erinnerte daran, dass auch die USA gegen die Durchsetzung einer Flugverbotszone gewesen und dann plötzlich umgeschwenkt seien.

Sprache der Gewalt

Auch die LINKE-Vorsitzende Gesine Lötzsch unterstützt die Enthaltung von Außenminister Guido Westerwelle (FDP) im UN-Sicherheitsrat. Nun müsse aber ein zweiter Schritt folgen: Deutschland müsse sich für die Einstellung aller Kampfhandlungen einsetzen.

Lötzsch kritisiert das Vorgehen Gaddafis als »Krieg gegen die eigene Bevölkerung«, die LINKE habe sich deshalb geschlossen auch für ein Vorgehen Europas und Deutschlands ausgesprochen. Ein solches dürfe jedoch keine kriegerischen Handlungen beinhalten. Die libyschen Oppositionellen seien eine »Demokratiebewegung«, die Solidarität verdiene. Die »Sprache der Gewalt« müsse zum Schweigen gebracht werden.

Ähnlich klingt es bei der Evangelischen Kirche: EKD-Friedensbeauftragter Renke Brahms kritisierte die Attacken scharf. Er fürchte eine »Eskalation der Gewalt«. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, begrüßte gegenüber dem »Tagesspiegel« dagegen die Intervention.

LINKE-Außenpolitiker Wolfgang Gehrcke fordert ein »Embargo des Ölhandels mit Libyen«. Für ein solches Embargo ist auch Kauders Stellvertreter Andreas Schockenhoff. Am Samstag hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sich bei den Verhandlungen in Paris für einen Boykott stark gemacht. Laut Schockenhoff ist die Bundeswehr nicht in der Lage, sich neben Afghanistan an weiteren Militäraktionen zu beteiligen.

Guido Westerwelle hat seine Haltung am Montag erneut verteidigt. Der FDP-Außenminister verwies unter anderem darauf, dass sich die Arabische Liga mittlerweile sehr kritisch über die Angriffe geäußert habe. Deren Vorsitzender Amr Mussa hatte festgestellt, dass die Bombardierungen das Ziel eines Flugverbotes bereits überschritten hätten.

Deutschland, sagte der Außenminister weiter, werde sich an dem »Einsatz« in Libyen definitiv nicht beteiligen – nicht zuletzt, »weil wir bei der Abwägung zu dem Ergebnis gekommen sind, dass dieser Krieg auch erhebliche Risiken in sich birgt, nicht nur für Libyen selbst, sondern auch für die Region insgesamt«.

Ähnlich hatte vor dem Wochenende SPD-Chef Sigmar Gabriel argumentiert – wenn auch gegen den Widerspruch des SPD-Fachpolitikers Rolf Mützenich, der vor »Isolation« warnt. Nun sagt auch Gabriel, es sehe aus, als »kusche« man vor einem »Ölmafioso«.

Mehr AWACS – sofort

Am Freitag hatte auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin die Enthaltung eher begrüßt – gegen die Fraktionschefin Renate Künast. Inzwischen war die Enthaltung auch für Trittin »nicht nötig«: Man hätte Einwände auch schriftlich hinterlegen können.

Allerdings sagte Merkel inzwischen zu, noch diese Woche eine Entlastung für die Angriffskoalition durch zusätzlichen Bundeswehr-Einsatz bei der AWACS-Aufklärung in Afghanistan zu beschließen. Beim LINKE-Verteidigungspolitiker Paul Schäfer stieß dies sofort auf Widerspruch: Per Salamitaktik solle hier der Afghanistankrieg »intensiviert« werden.

Sie hat also auch ihre Grenzen, die ungewöhnliche Koalition der Vernünftigen in Berlin.

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