Kopflastig ins Leben

Mecklenburg-Vorpommerns Sportlehrer fordern mehr Sportunterricht – um der Kinder willen

  • Joachim Mangler, dpa
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Klagen von Kinderärzten und Physiotherapeuten sind deutlich: Kinder bewegen sich zu wenig, sind oft zu dick oder ungelenk. Experten fordern drei Stunden Schulsport in der Woche, die Regel sind zwei. Doch in Mecklenburg-Vorpommern haben viele Sportlehrer lediglich Teilzeitstellen.

Rostock (dpa/ND). Viele Schulkinder in Mecklenburg-Vorpommern haben nach Ansicht von Experten zu wenig Sportunterricht. Laut Plan sind es für meisten Schüler zwei Stunden pro Woche, wie der Vorsitzende des Landes-Sportlehrerverbands, Roland Gröbe, in einer dpa-Umfrage sagte. Lediglich in den 3. bis 6. Klassen seien es drei Stunden. »Es müsste mehr Sport sein – auf jeden Fall«, sagte Gröbe. Denn die Aktivitäten zu Hause bestünden oft nur noch aus sitzenden Tätigkeiten vor Fernseher oder Computer. Ob die Sportstunden überhaupt eingehalten werden können, hängt laut Bildungsministerium von unterschiedlichen Faktoren ab. Krankheit, bauliche Maßnahmen oder Wetter könnten die Zahl weiter reduzieren, hieß es.

Zu hoher Altersdurchschnitt

Dabei wäre die Zahl der Sportlehrer im Land von etwa 1000 bis 1200 ausreichend, um allen Schülern in Mecklenburg-Vorpommern genügend Sportstunden zu bieten. Die Erhöhung der Stundenzahl wäre kein Problem, ist Gröbe überzeugt. Das Problem sei aber, dass die Lehrer lediglich Teilzeitstellen hätten. Hinzu komme, dass der Altersdurchschnitt der Sportlehrer mit über 50 Jahren gerade für ein bewegungsintensives Fach wie Sport deutlich zu hoch sei. »Wir brauchen dringend junge Lehrer und Referendare, die dann auch im Land bleiben«, fordert Gröbe, selbst als Sportlehrer in Friedland (Mecklenburg-Strelitz) tätig.

Das Problem Mecklenburg-Vorpommerns sei, dass andere Bundesländer ihre Lehrer verbeamten und besser bezahlen – »da haben wir sehr schlechte Karten«, sagt Gröbe. Zehnjährige fänden es auch nicht überzeugend, von einem 60-Jährigen in Sport unterrichtet zu werden, der oft nicht mehr alles mitmachen könne. Zudem falle es jüngeren Lehrern viel leichter, auf neue Trends und Sportarten zu reagieren.

Auch Simone Lang, Sportpädagogin an der Universität Rostock, betont, dass die Schulen nicht alles reparieren können, was in der Gesellschaft schlecht läuft. Aber auch sie hält die Lehrer für ganz wichtig, um die Kinder zu mehr Bewegung zu bringen. Es gebe durchaus Schulen, die Wert auf viel Bewegung ihrer Schüler legen und zudem über die räumlichen Möglichkeiten verfügen.

Wer die sich austobenden Kinder sehe, dem werde schnell klar, dass es an den meisten Schulen viel zu kopflastig zugehe, sagt Lang. Auch würden noch viel zu selten moderne Pädagogikkonzepte verfolgt, bei denen beim Lernen von Sprachen oder auch Mathematik Bewegungen der Schüler integriert werden. Für den Landessportbund von Mecklenburg-Vorpommern ist die Einführung der dritten Sportstunde für alle Klassenstufen von großer Bedeutung. »Doch die dritte Stunde allein reicht nicht aus«, sagt Sportbund-Geschäftsführer Torsten Haverland mit Blick auf die übrigen, eher sitzenden Freizeitbeschäftigungen der Kinder und Jugendlichen. »Jeden Tag eine Stunde Bewegung, das wäre ein guter Ansatz«, betont er und zitiert damit alte Forderungen von Sportmedizinern.

Haverland verweist auf das 13 Jahre alte »Aktionsbündnis Schulsport«, das mit neuen Inhalten gefüllt werden müsse. Dieses breite gesellschaftliche Bündnis hat sich unter anderem zur Aufgabe gemacht, Defizite im Schulsport zu beseitigen.

Der Weg in den Verein

Für den Landessportbund ist das Sportangebot in Schulen von großer Bedeutung – für die Gesundheit der Kinder. Aber man ist auch nicht ganz uneigennützig. »Wir wollen, dass Kinder viele Bewegungsangebote haben. Sie finden dann eher Interesse am Sport und kommen auch in die Vereine.« Zusätzlich sei der Verband einer der treibenden Kräfte beim Programm »Bewegte Kinder«, bei dem Vereine in Kindergärten gehen und mit den Kleinen Sport treiben. »Dabei wird gleichzeitig auch das Bewusstsein der Eltern geschärft.«


Marode Turnhallen, fehlende Ausstattung

Dresden (dpa/ND). Viele Turnhallen marode und zu klein, matschige Sportplätze, fehlende Ausstattung – Sachsens Sportlehrer geben dem Schulsport im Freistaat eher schlechte Noten. Das ergab eine dpa-Umfrage. Die Zustände im Schulsport seien teilweise sogar katastrophal, sagte der Präsident des sächsischen Sportlehrerverbandes, Detlef Stötzner. Vor allem in den Großstädten wie Leipzig und Dresden gebe es erhebliche Mängel bei der Ausstattung.

»Viele Sporthallen sind gerade einmal so groß wie ein Volleyballfeld«, kritisierte Stötzner. Damit gebe es kaum genügend Platz für eine Schulklasse von 30 Kindern. An den Grund- und Mittelschulen stehen pro Woche drei Stunden Schulsport auf dem Lehrplan, ab der achten Klasse des Gymnasiums sind es nur noch zwei. »Wir kämpfen schon seit Jahren um die dritte Stunde«, erklärte Detlef Stötzner. Seine Beobachtung: Viele Kinder werden immer unbeweglicher, haben Koordinationsprobleme. Doch nur etwa ein Drittel aller Kinder in Sachsen treibt regelmäßig Sport.

Nach Angaben des Sächsischen Kultusministeriums hat der Freistaat im vergangenen Jahr rund 17,8 Millionen Euro in die Sanierung von Fußball- und Sportplätzen, Turnhallen und Tennisplätzen investiert – deutlich weniger als im Jahr zuvor. Im Jahr 2009 bekam dieser Bereich noch Gelder aus dem Konjunkturpaket: Es flossen insgesamt mehr als 96 Millionen Euro in die Sanierung von Sportanlagen.

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