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Ein Aufschwung, der 2012 nachlassen wird

Konjunkturgutachten: Neoliberale Institute empfehlen verschärften Sparkurs, keynesianische Forscher warnen davor

  • Lesedauer: 3 Min.
Führende Wirtschaftsforscher rechnen in diesem Jahr mit einem merklichen Konjunkturaufschwung in Deutschland, der im nächsten Jahr aber stark nachlässt. Die Euro-Krise macht sich bemerkbar.

Berlin (ND-Stenger/AFP). Konjunkturforschungsinstitute sagen in ihrem am Donnerstag in Berlin vorgestellten Frühjahrsgutachten für die Bundesrepublik einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 2,8 Prozent in diesem und um 2,0 Prozent im kommenden Jahr voraus. Der Aufschwung wird sowohl von der Auslandsnachfrage als auch von der Binnenkonjunktur getragen, wie es in der »Gemeinschaftsdiagnose« heißt. Dabei werde die Inlandsnachfrage »mit nahezu unverändertem Tempo zulegen«. Mit der steigenden Beschäftigung und einem zu erwartenden Tariflohnzuwachs von 2,8 Prozent werde sich die Einkommenssituation privater Haushalte verbessern. Gleichzeitig werden nach Einschätzung der Forscher allerdings auch die Preise spürbar steigen: um 2,4 Prozent 2011 und 2,0 Prozent 2012.

Die Arbeitslosenquote wird wegen des kräftigen Aufschwungs auf 6,9 in diesem und auf 6,5 Prozent im nächsten Jahr zurückgehen und damit so niedrig sein wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Die Zahl der Erwerbstätigen werde dieses Jahr um 430 000 und dann um 275 000 zunehmen. 2012 werde sie im Jahresschnitt bei 2,7 Millionen liegen.

Von dem Aufschwung profitieren auch die öffentlichen Finanzen: Das staatliche Haushaltsdefizit wird den Wissenschaftlern zufolge in diesem Jahr auf 45 Milliarden Euro (1,7 Prozent vom BIP) zurückgehen und im kommenden Jahr auf 23,5 Milliarden Euro (0,9 Prozent) schrumpfen. In der Wirtschafts- und Finanzkrise war es wegen der Finanzierung von Konjunkturprogrammen und der Stützung des Finanzsystems auf rund drei Prozent gestiegen.

Ebenfalls am Donnerstag legte das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) erstmals gemeinsam mit den Forschern des WIFO (Wien) und des OFCE (Paris) eine europäische Konjunkturprognose vor. Das IMK hatte bis 2009 selbst an der Erstellung der Gemeinschaftsdiagnose teilgenommen, aber gegenüber den anderen Instituten in einigen Fragen eine gegensätzliche Position eingenommen. Mit dem neuen »Makro-Konsortium« versucht man, gegenüber den »Mikro-Sichtweisen« eine gesamtwirtschaftliche Position deutlich zu machen, sagte IMK-Direktor Gustav A. Horn am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Berlin.

Die Zahlen der beiden Prognosen unterscheiden sich dabei nicht wesentlich. IMK, WIFO und OFCE rechnen für Deutschland mit einem BIP-Plus von 2,7 Prozent in diesem Jahr. Für 2012 ist man mit 1,7 Prozent aber skeptischer. Erwartet werden negative Auswirkungen durch die zunehmend res-triktive Finanzpolitik im Euroraum auch für die Bundesrepublik. Die stärksten Unterschiede finden sich aber in den wirtschaftspolitischen Empfehlungen. Während die Autoren der Gemeinschaftsdiagnose die »Konsolidierung der Staatsfinanzen ehrgeizig vorantreiben« möchten, halten dies die keynesianisch orientierten Institute für völlig falsch. Die durch den starken Aufschwung unerwartet hohen Steuereinnahmen sollten weder in einen schnelleren Defizitabbau gesteckt noch für Steuersenkungen verwendet werden. Sie müssten stattdessen als »finanzieller Puffer« bereitstehen, wenn die Schuldenbremse künftig die fiskalischen Spielräume zu sehr einengt.

Auch für den Euroraum hat das »Makro-Konsortium« gegensätzliche Empfehlungen: »Ein Politik-Mix, der Krisenstaaten undifferenzierte Sparprogramme und eine Kopie der einseitigen deutschen Exportorientierung verordnet, wird die Euroländer nicht stärken, sondern schwächen«, erklärte Horn. Für Griechenland, Irland und Portugal rechnen die Forscher daher für dieses Jahr mit einem schrumpfenden BIP.

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