Hin und her und rein und raus

Nun wird »Poppea« auch an der Sächsischen Staatsoper Dresden gekrönt

  • Werner Wolf
  • Lesedauer: 3 Min.
Hin und her und rein und raus

Mitte Februar krönte das Mittelsächsische Theater Freiberg/Döbeln seinen Monteverdi-Zyklus mit »L'incoronazione di Poppea« (»Die Krönung der Poppea«). Nun zog die Sächsische Staatsoper im nur 45 km entfernten Dresden nach. Ein sachlicher Vergleich zeigt, was auch kleine Theater bei kontinuierlicher Arbeit über gängige Repertoirewerke hinaus leisten können.

Freiberg/Döbeln kann sich bei seinem Etat freilich nicht wie die Landeshauptstadt Dresden zwei Countertenöre für die Kastratenpartien und für den Instrumentalpart ein Spezialensemble wie die Capella Sagittariana leisten. Doch die kompositorische Anlage und die zu Monteverdis Zeit übliche Praxis lassen die Besetzung der für einen Kastratensopran geschriebene Partie des Nerone (Nero) mit Frauensopran und der für Kastratenalt angelegten Partie des Ottone mit einem Bassbariton zu.

Jan Michael Horstmann hat als Chef der Mittelsächsischen Philharmonie bewiesen, dass sich auch in einem solchen Orchester Musiker für Spezialinstrumente finden lassen und bei Beachtung der historischen Spielweise mit heutigen Instrumenten ein stilgerechter Klang zu erreichen ist.

Überdenkt man die Inszenierungen in Dresden und Freiberg/Döbeln, erscheint im kleineren Theater mancher Vorgang plausibler, weil da nicht auf Biegen und Brechen dem Stück fremde, unentwegte Bühnenbetriebsamkeit vorgeführt wird. Die in Basel tätige Regisseurin Florentine Klepper will in Dresden zeigen, dass am Hofe Neros über die Bühnenhandlung hinaus dauernd noch anderes geschieht, und so rennen die an der Handlung nicht beteiligten Dienstleute unentwegt hin und her und rein und raus.

Dadurch aber wird vom Geschehen insgesamt abgelenkt und von jenen Dienstleuten, die an der Handlung tatsächlich kommentierend beteiligt sind. Weil zudem die deutschen Übertitel nur ganz blass eingeblendet werden und bei meist heller Bühne kaum lesbar sind, werden zumal die wichtigen Bemerkungen und Kommentare der Dienstleute kaum verständlich.

Der scharfsinnige Text von Monteverdis auf dem Besetzungszettel nicht einmal genannten Librettisten Giovanni Francesco Busenello ist aber wesentlich für das Gesamtverständnis des Werkes. Er deckt im 17. Jahrhundert Parallelen des Treibens der damals Mächtigen zum alten Rom auf, in denen Heutiges wiederzuerkennen ist.

Bastian Trieb entwarf einen mehrgeschossigen Bühnenbau; wechselnde, zum Zuschauer hin offene Räumen lassen einerseits den Aufstieg Poppeas mit Gefolge und andererseits den Abstieg der verstoßenen Kaiserin Ottavia deutlich werden. Die fast schon manische Sucht, alles als gegenwärtig zeigen zu wollen, was der aufgeschlossene Theaterbesucher selbst wahrnehmen und einordnen kann, führte die Regisseurin und die Kostümbildnerin Chalune Seiberth dazu, die Kostüme mehr oder minder modisch zu gestalten. Ottone, der klagend vor Poppeas von Nerone besuchtem Gemach singt, sitzt in der Garage, in einem Auto.

Der bravourös singende, es mit der Intonation aber nicht immer so genau nehmende Nerone Franco Fagioli erscheint als Playboy und wird so in seiner Gefährlichkeit verharmlost. Dagegen wirkt der von ihm als Liebhaber Poppeas verdrängte, zart und ergreifend singende Ottone Matthew Shaw von der Figur her als Schwächling. Mit ausdrucksstarkem Gesang überzeugen Nicole Heaston als Poppea und Christa Mayer als Ottavia. Georg Zeppenfeld macht als von Nerone in den Tod gezwungener Erzieher und Berater mehr die tragischen Züge des von den Dienern als gerissen gekennzeichneten Philosophen deutlich. Kabinettstücke bieten die Dienergestalten, vor allem Rebecca Raffell als Arnulta, Ute Selbig als Drusilla.

Was die Musiker der von freischaffenden Spezialisten sowie speziell interessierten Mitgliedern der Staatskapelle und der Dresdener Philharmonie gebildeten Capella Sagittariana unter der feinsinnigen Leitung des Gastdirigenten Rubén Dubrovsky hören lassen, bestimmt wesentlich den starken musikalischen Gesamteindruck der Aufführung.

Die Dresdener feierten natürlich vor allem ihre Sänger und die Musiker. Ein starker Buh-Chor war von den oberen Rängen nicht erst beim Erscheinen des Regieteams zu hören.

Nächste Aufführung: 15. 4. Foto: Semperoper

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