Roms Flüchtlingspolitik am Pranger

Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Abschiebehaft / Italien kündigt Gegenmaßnahmen an

  • Lesedauer: 2 Min.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat dem harten Kurs Italiens im Umgang mit illegalen Flüchtlingen einen Riegel vorgeschoben.

Luxemburg/Rom (Agenturen/ND). Italien habe nicht das Recht, illegale Einwanderer in Haft zu nehmen, wenn diese sich der Ausweisung entziehen und einfach im Land bleiben. Das entschieden die Richter in einem am Donnerstag veröffentlichten Urteil (Rechtssache C-61/11). Dem Urteil zufolge widerspricht eine Gefängnisstrafe den Zielen der europäischen Politik, die illegale Migranten aus außereuropäischen Ländern zwar in ihre Staaten zurückbringen, dabei aber deren Grundrechte achten wolle. »Eine strafrechtliche Sanktion, wie sie die italienischen Rechtsvorschriften vorsehen, droht die Verwirklichung dieses Ziels zu gefährden«, urteilte das oberste europäische Gericht. Italien müsse das mildere EU-Recht, das zu den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedsstaaten gehöre, berücksichtigen. Rom habe die EU-Richtlinie über die Rückführung illegaler Einwanderer nicht korrekt umgesetzt.

Im vorliegenden Fall ging es um einen Algerier, der illegal nach Italien gekommen war. 2004 wurde er ausgewiesen, blieb aber im Land. 2010 entschieden die Behörden dann, dass der Mann binnen fünf Tagen das Land verlassen müsse. Da er diese Aufforderung ignorierte, verurteilte ihn ein Gericht zu einem Jahr Gefängnis. Da der Algerier derzeit in Haft sitzt, entschied der Gerichtshof per Eilverfahren.

Italiens Regierung kritisierte das Urteil als unbefriedigend. »Erstens ist auch in anderen europäischen Ländern eine Haftstrafe für illegale Einwanderung vorgesehen, und diese werden nicht verurteilt, und zweitens riskiert diese europäische Richtlinie, Ausweisungen unmöglich zu machen«, sagte der italienische Innenminister Roberto Maroni. Er werde in den kommenden Tagen die möglichen Folgen des Urteils prüfen und eventuelle Gegenmaßnahmen überdenken.

Allein seit dem Ausbruch der Unruhen in Tunesien und Libyen im Januar sind knapp 25 000 Flüchtlinge vor allem über das Mittelmeer nach Italien gekommen.

In Libyen gingen die Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Aufständischen weiter. Bei Luftangriffen der von der NATO geführten Allianz sind am Donnerstag nach Angaben der Rebellen versehentlich 12 ihrer Kämpfer getötet und 40 verletzt worden.

Der UNO-Sicherheitsrat scheiterte derweil mit der Absicht, sich auf ein gemeinsames Vorgehen gegen die Unterdrückung der syrischen Protestbewegung zu einigen. Den 15 Ratsmitgliedern gelang es nicht, einen auch von Deutschland eingebrachten Entwurf zu verabschieden. Während die westlichen Staaten Syriens Verurteilung forderten, lehnten Russland und China dies ab. Der russische UNO-Vizebotschafter Alexander Pankin warnte vor einem möglichen Bürgerkrieg, der durch eine Intervention ausgelöst werden könnte. Die Krise in dem Land stelle »keine Bedrohung für den Frieden und die internationale Sicherheit dar«.

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