Von Weisheit keine Spur

In Gotha soll ein Antifaschismus-Denkmal entsorgt werden

  • Peter Arlt
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Zeichen der Zeit ändern sich. Denkmäler werden abgerissen, wie die Arbeiterfäuste in Halle, oder wiedererrichtet, wie Kaiser Wilhelm I. hoch zu Ross am Deutschen Eck in Koblenz, manchmal auch stehen gelassen und »ver-souveniert«, wie der Marx-»Nischel« in Chemnitz. Dahinter steckt immer eine Absicht.
Noch steht es – das antifaschistische Mahnmal in Gotha
Noch steht es – das antifaschistische Mahnmal in Gotha

Je politisch sensibler der Ort, desto umkämpfter ist er. Das lässt sich beispielhaft in Gotha am Rosengarten zwischen Schloss Friedenstein und Museum ablesen, wo Denkmäler errichtet und wieder entfernt worden sind – und jetzt wieder eines beseitig werden soll. Das Antifaschismus-Denkmal soll entfernt werden, um Gothas »Barockes Universum« unter Einbindung des Herzoglichen Kunstmuseums von 1879 aufwendig rekonstruieren zu können. Die Wiederherstellung des »getreuen historischen Bildes«, die von der Thüringer Stiftung Schlösser und Gärten als Zielvorgabe ausgegeben worden ist, hätte sich mit einer Wiese zu begnügen, ohne Rosen – und ohne Denkmal.

Des Schleifens von Denkmälern aus DDR-Zeiten ist kein Ende. Zahlreiche Kriegerdenkmale, die vielerorts an Kirchen, auf Friedhöfen und Dorfplätzen stehen, waren in der DDR nicht angetastet worden und haben den ostdeutschen Staat überdauert. Der arg militante Stahlhelm- und Gewehrträger von 1927 an exponierter Stelle in Gotha hatte allerdings, einem alliierten Befehl gemäß und mehrheitlich gewollt, 1946 weichen müssen. Ohne Votum der demokratischen Öffentlichkeit soll jetzt das Antifaschistische Mahnmal verschwinden. Da erhebt sich die Frage, ob das martialische Kriegerdenkmal, das den Gefallenen für Kaiser, Schlotbarone und Konsorten gewidmet war, heute in gleicher Weise behandelt worden wäre, stünde es noch. Man kann sich des Verdachts nicht erwehren, dass hier die Retourkutsche der Restauration erfolgt.

Freilich, das Antifaschismus-Denkmal von 1967 im Rosengarten kann und sollte kritisch hinterfragt werden. Würdigen muss man die handwerkliche Meisterschaft, mit der die Gothaer Firma Landmann die abgestumpfte Pyramide bzw. Pylone errichtet hat. Deren angebliche Baufälligkeit sollte jetzt mit dem gewaltsamen Herausbrechen einer Travertinplatte vorgetäuscht werden. Doch das Werk ist grundsolide. Das gilt auch für die im Tobiashammer fabrizierte Feuerschale für die Flamme des Gedenkens und für die kunstvolle Schrift, seinerzeit gefertigt vom jungen Kunstschmied Günter Reichert.

Wider andere Vorstellungen damals hatte die Kreisleitung der SED entschieden, auf dem Sockel des abgerissenen Kriegerdenkmals ein Monument zu Ehren der Helden des antifaschistischen Widerstandes zu errichten. Ein Dozent der Gothaer Bauschule entwarf das Denkmal im anachronistischen Bezug auf die ägyptische Antike. Es wirkt letztlich wie eine kleine Variante des Buchenwald-Mahnmals. Mit seiner monolithischer Form und Vertikalbetonung sollte es einer Einheit und Geschlossenheit des antifaschistischen Widerstandes Ausdruck geben, die es in Wirklichkeit so nicht gegeben hatte. Zugleich reflektiert es symbolisch zentralistische Machtstruktur und transportiert die in der DDR gepflegte Mentalität der »Sieger der Geschichte«. Somit ist dieses Denkmal also ein lehrreiches Beispiel der Erinnerungskultur im verschwundenen Staat. Ungeachtet der Instrumentalisierung des Gedenkens dereinst in der DDR zeugt dieses Denkmal aber ebenso von der unbestreitbaren antifaschistische Gesinnung der Gothaer Bürger, die es wollten und die seit 44 Jahren hier der antifaschistischen Widerstandskämpfer gedachten.

Wer dieses Denkmal am Schloss abreißt, will wohl auch die Erinnerung an über 100 Antifaschisten tilgen, die im Kreis Gotha ihr Leben im Kampf gegen die Nazibarbarei eingesetzt haben, wie etwa an den Pfarrer Werner Sylten, den Sozialdemokraten Hermann Brill oder den Kommunisten Dr. Theodor Neubauer. Und der missachtet zugleich die aufrechte Gesinnung jener Gothaer, die den Antifaschismus als Lebensgesetz der DDR verstanden und verinnerlicht haben und auch heute und morgen davon nicht lassen werden.

Es ist schwerlich zu verstehen, wieso das Denkmal im Rosengarten den neuen Funktionszusammenhang stört. Wenn dem jedoch wirklich so sein sollte, ist es die Pflicht der Stadtväter, es sorgsam abzubauen, um es anderswo, vielleicht neben dem Sowjetischen Ehrenmal, wieder zu errichten. Ein Entsorgen und auf den Schutt Befördern dieses Denkmals würde jedenfalls dem antifaschistischen Konsens der Gesellschaft widersprechen.

Bereits Anfang Juli soll das Denkmal vor dem Schloss abgerissen sein, um an jener Stelle am Thüringentag den Auftritt der Hochseilartisten »Geschwister Weisheit« zu sichern. Das klingt wie ein zynischer Kommentar zum Skandal.

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