Gemeinsam gegen EU-Sparpolitik

Internationaler Gewerkschaftsprotest in Luxemburg

  • Hans-Gerd Öfinger, Luxemburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Gegen die europaweiten Haushaltskürzungen als Folge der Wirtschafts- und Finanzkrise protestierten am Dienstag in Luxemburg rund 20 000 Gewerkschafter aus zwölf europäischen Ländern. Sie folgten einem kurzfristig verabschiedeten Aufruf des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB).
Junge GewerkschafterInnen bei der Demonstration in Luxemburg
Junge GewerkschafterInnen bei der Demonstration in Luxemburg

Gut die Hälfte der Protestler, die am Nachmittag durch die Innenstadt ziehen, ist aus dem Nachbarstaat Belgien angereist. Unübersehbar liegt ihnen die Verteidigung des Index am Herzen, also der in Belgien und Luxemburg noch halbwegs bestehenden automatischen Lohnanpassung an die Lebenshaltungskosten – einer Errungenschaft aus früheren Jahrzehnten der Vollbeschäftigung. »Die EU und die Regierungen in Deutschland und Frankreich wollen den Index zerstören und die Anhebung des Rentenalters erzwingen«, schimpft der Flame Raoul Flies von der Angestelltengewerkschaft bbtk und warnt vor einem mit Reallohnsenkungen einhergehenden Kollaps der belgischen Wirtschaft, sollte der Index tatsächlich fallen.

Mit höchstens 200 Teilnehmern vergleichsweise gering erscheint hingegen die Teilnahme aus Deutschland. Dabei ist neben Saarländern eine Delegation von Beschäftigten der Bodenverkehrsdienste an den Flughäfen Frankfurt-Rhein-Main und Hamburg unübersehbar. Sie sind in der ver.di-Fachgruppe Luftverkehr organisiert und protestieren gegen eine von der EU vorgesehene weitere Marktöffnung ihrer Branche. Damit würden noch mehr Billiglohnunternehmen wie Pilze aus dem Boden schießen, befürchten die Gewerkschafter. Sie stehen mit Kollegen aus Nachbarländern in Kontakt und planen weitere koordinierte Widerstandsaktionen.

Im Block der französischen Gewerkschaft CGT, die vor allem im Nordosten des Landes mobilisiert hat, demonstrieren auch vier Vertreter der tunesischen Gewerkschaften mit. »Wir drücken der Revolution in unserem Land unseren Stempel auf«, sagt Elissa Bechir, einer von ihnen.

Neben den Belgiern sind es vor allem die Gewerkschaften aus Luxemburg, die an diesem Werktag viele tausend auf die Beine gebracht haben. Kämpferisch gibt sich dabei vor allem ihr Jugendblock. »Die neoliberale Party ist vorüber« und »Tous ensemble - grève générale« (Alle zusammen zum Generalstreik) dröhnt es aus dem Lautsprecherwagen.

Diplomatischer äußert sich dagegen die EGB-Spitze. »Die Programme der EU und der nationalen Regierungen bringen soziale Verschlechterungen und Angriffe auf Arbeitnehmer und Rentner, steigern die Arbeitslosigkeit und bremsen den Ausweg aus der Krise«, kritisiert EGB-Präsident Ignacio Fernandez Toxo. So habe etwa der unter dem Druck der EU erfolgte Kurswechsel der Madrider Regierung die Arbeitslosigkeit auf fünf Millionen anschwellen lassen, sagt der Spanier.

»Wir sind keine Sklaven der Finanzmärkte«, erklärt EGB-Generalsekretärin Bernadette Ségol und unterstreicht ihre Solidarität mit dem Widerstand der griechischen Gewerkschaften gegen das massive Privatisierungsprogramm, das ohne demokratische Kontrolle dem Land von Außen aufgezwungen werden solle. Sie freut sich darüber, dass Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker am Vormittag Sympathie für die EGB-Forderung nach einer Börsenumsatzsteuer und einheitlichen Finanzierungsbedingungen für alle Mitgliedstaaten durch Einführung von Eurobonds gezeigt habe.

Im Aufruf zur Demonstration fordern die Gewerkschaften eine Verlängerung der Kreditlaufzeiten, Stundung der Zinslast für die Krisenländer und die Gründung einer »Europäischen Bank für öffentliche Anleihen«. Darüber hinaus lehnt der Dachverband Eingriffe in Gewerkschaftsrechte und Tarifautonomie sowie die von der EU vorangetriebene Liberalisierung und Deregulierung ab. Da EU und Regierungen bislang auf diese Forderungen nicht eingegangen sind, dürften die Gewerkschaften gezwungen sein, den Druck zu erhöhen. »Das war nicht die letzte Euro-Demo in diesem Jahr«, prophezeit der NGG-Bundesstreikbeauftragte Jürgen Hinzer.L

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal