Rubalcaba verspricht Linksschwenk

Spanien offenbar vor Neuwahlen / Wenig Vertrauen in Wende der Sozialisten

  • Lesedauer: 3 Min.
Von Ralf Streck, San Sebastian

In Spanien wird weiter über vorgezogene Parlamentswahlen spekuliert. Seine Partei bereite sich auf »jeglichen Wahltermin« vor, sagte der Spitzenkandidat der regierenden Sozialisten (PSOE), Alfredo Perez Rubalcaba, vergangene Woche in einem Interview. Die Neuwahlen könnten noch in diesem Jahr stattfinden.

Rubalcaba, bislang Innenminister, hatte die Regierung vor Wochenfrist verlassen, um sich ganz dem Wahlkampf zu widmen. Der durch die Wirtschaftskrise schwer angeschlagene Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero will bei der Parlamentswahl nicht erneut kandidieren.

Nach dem Rückzug Rubalcabas aus der Regierung hatte Zapatero das Kabinett umgebildet. Antonio Camacho, bisher Staatssekretär, rückt als Innenminister nach. Der Infrastruktur- und Verkehrsminister José Blanco wird zu seinem Amt nun auch Regierungssprecher. Rubalcaba hatte auch diesen Posten aufgegeben.

Es riecht nun förmlich nach vorgezogenen Parlamentswahlen und die Spatzen pfeifen von den Dächern in Madrid, dass diese im Herbst stattfinden werden. Wie aus PSOE-Kreisen zu erfahren ist, will man bei der Abstimmung von der Tatsache profitieren, dass sich wie stets im Sommer die Lage am Arbeitsmarkt – Spanien hat eine Arbeitslosenquote von 21 Prozent – leicht verbessert. Generell ist eine wirtschaftliche Erholung, außer im Baskenland, nicht in Sicht.

Die PSOE hofft, mit Rubalcaba die Wahlen gewinnen zu können, nachdem sie im Mai bei den Regional- und Kommunalwahlen ihr historisch schlechtestes Ergebnis eingefahren hat. Die Partei muss sich beeilen, da sonst ihr Glaubwürdigkeitsproblem und das ihres neuen Kandidaten noch größer werden. Freimachen kann sich Rubalcaba von der Last ohnehin nicht. Er war als »Superminister« und Vizeregierungschef sieben Jahre an zentraler Stelle für die Politik mitverantwortlich, die Spanien in die Krise getrieben hat.

Will man Rubalcaba den Linksschwenk abnehmen, den er am vergangenen Samstag mit seinen politischen Grundlinien vorgestellt hat, müsste die Abkehr vom neoliberalen Zapatero-Kurs schnell erfolgen. Da in den letzten Jahren vor allem linke Wähler verloren wurden, versucht Rubalcaba verstärkt, um diese zu werben. Schwammig forderte er, die Steuern für Großunternehmen und Großverdiener anzuheben. Doch diese Abgaben wurden unter einer Regierung gesenkt, die sich »sozialistisch« nennt. Er will die Vermögenssteuer wieder einführen, die zu Beginn der Krise 2008 abgeschafft wurde. Und Rubalcaba will von »Banken und Sparkassen fordern, einen Teil ihrer Gewinne zu nutzen, um Arbeitsplätze zu schaffen«. Derzeit erhalten die Geldhäuser Steuermilliarden, um sie vor dem Absturz zu retten.

Wie Rubalcaba all das umsetzen und angesichts eines hohen Haushaltsdefizits die Sparverpflichtungen gegenüber Brüssel erfüllen will, ließ er im Nebel. Auch seine Versprechen, wonach es mehr Bürgerbeteiligung und politische Transparenz sowie eine Wahlrechtsreform geben soll, konnte er nicht konkretisieren. Populistisch versucht er, die Demokratiebewegung der »Empörten« anzusprechen, die seit Mai mit Platzbesetzungen und Demonstrationen dem angestauten Unmut der Bevölkerung eine Stimme gibt.

Dass der PSOE der angedeutete Schwenk abgenommen wird, darf bezweifelt werden. Man fragt sich, warum Rubalcabas seine »Rezepte« für Beschäftigung und einen Weg aus der Krise nicht längst umgesetzt hat. So muss man sich nicht wundern, wenn nach Umfragen fast 90 Prozent der Bevölkerung davon überzeugt sind, dass die ultrakonservative Opposition auch die kommenden Parlamentswahlen gewinnen wird.

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