Die Stars kommen aus Frankreich
Über tausend Boule-Spielerinnen und -Spieler treffen sich zum Wettkampf am Ostseestrand
Noch keine zwanzig Jahre alt ist Dylan Rocher, Zukunftshoffnung des Pétanque in Frankreich. Der mehrfache Jugendwelt- und Jugendeuropameister begann mit drei Jahren Boule zu spielen: sein Vater Bruno, Weltmeister 2004, machte ihn mit den Kugeln vertraut. Vor zwei Jahren erlitt er einen Motorradunfall, der ihn das Ende seiner Karriere fürchten ließ. Doch er fand zurück. Im letzten Jahr siegte er beim weltgrößten Boule-Turnier, der Mondial la Marseillaise, und vor wenigen Wochen erst gewann er – mit seinem Partner Stéphane Robineau – die französische Doublette-Meisterschaft. Mit Dylan Rocher sprach MARC PHEULPIN, Chefredakteur der Zeitschrift »Boulisme«, der ihn auch fotografierte.
Pheulpin: 2010 machtest du mit deinem Sieg bei der Mondial la Marseillaise Furore...
Rocher: Es
war immer schon mein Traum, am Vieux-Port zu spielen und die
Marseillaise zu gewinnen. Es ist ein hochrangiges Turnier, mit einem
kritischen Publikum. Sich dort durchzusetzen ist ein ganz besonderes
Gefühl. Der Sieg bei der Marseillaise ist zweifellos der bisher schönste
meiner Karriere.
Diese begann 2001, als du mit gerade zehn Jahren französischer Meister im Tête-à-Tête in Les Arcs wurdest. Wie war das?
Ich war glücklich über mein Ergebnis und wünschte mir, dass es erfolgreich so weiter ginge.
War das nicht seltsam für dich? Du hast als Kind die Erwachsenen besiegt!
Eigentlich
nicht. Ich weiß, dass ich gut gespielt habe. Allerdings war es mein
erstes Turnier. Es hätte also auch ein Zufall sein können. Dennoch
fühlte ich mich an jenem Tag irgendwie unschlagbar.
Wie bist du zum Pétanque gekommen?
Ich
habe meinen Vater zu Turnieren begleitet und zusammen mit anderen
Kindern trainiert. Dann nahm ich an Meisterschaften in meinen Klassen
teil. Eines Tages suchte mein Vater einen dritten Spieler für sein
Triplette bei der Internationale de Grenoble. Also spielte ich zusammen
mit ihm und Bruno Le Boursicaud. Und wir gewannen.
Du bist also auf jeden Fall gut gestartet...
Gewiss,
auch wenn das nicht unbedingt zu erwarten war. Aber auf diesen Sieg
folgten weitere bei anderen nationalen Turnieren, und schließlich kam
ich in die Auswahl für die Jugendweltmeisterschaft und für die
Jugendeuropameisterschaft.
Und dann passierte der Unfall...
2009
stürzte ich mit dem Motorrad und brach mir beide Handgelenke. Ich spüre
das immer noch. Allerdings gewann ich durch die Reha meine
Beweglichkeit wieder und spiele heute vielleicht sogar geschmeidiger als
vorher.
Dachtest du damals an deine Karriere?
Ja. Das war
das erste, das mir in den Sinn kam. Ich hatte beide Arme in Gips und
wusste nicht, ob ich operiert werden müsste oder nicht. Mein Kopf sagte
mir: Es ist vorbei! Als ich dann aber wieder anfing zu spielen, kam auch
das Gefühl zurück. Ich glaube, ich habe sehr viel Glück gehabt.
Heute stehst du im Rampenlicht der Öffentlichkeit und der Medien. Stört dich das?
Im
Gegenteil: Es motiviert mich, viele Menschen um mich zu haben. Wenn ich
zwischen einem fast leeren Carré d’honneur und vollen Tribünen wählen
soll, sind mir letztere fast immer lieber.
Wie denken andere Spieler über dich? Hat sich ihre Meinung im Lauf der Zeit geändert?
Anfangs
bin ich ihnen wohl ein wenig in die Quere gekommen und durfte mir die
eine oder andere spitze Bemerkung anhören. Aber dann wurde es langsam
ruhiger, und mittlerweile sehen sie mich mit anderen Augen. Ich glaube,
ich habe meinen Platz im Kreis der besten Topspieler gefunden. Mit den
Startschwierigkeiten musste ich einfach fertig werden.
Dabei hat dir sicher auch dein Vater Bruno geholfen?
Mein
Vater steht immer hinter mir und meinen Brüdern. Er beschützt uns, er
treibt uns an, er bringt uns vorwärts. Das ist sehr wichtig, denn er hat
sehr viel Erfahrung und sein Rat hilft uns enorm.
Du bist
gerade für das französische Team für die Europameisterschaften im August
in Schweden aufgestellt worden. Was empfindest du angesichts dieser
Entscheidung?
Ich freue mich und ich bin stolz. Ich hatte gehofft,
eines Tages in den EM-Kader zu kommen, aber das ist alles andere als
einfach. Nun spiele ich auch noch in einem sehr starken Team. Das macht
auf jeden Fall Lust auf mehr!
Siehst du deine Zukunft als Spitzensportler im französischen Pétanque?
Ich
höre das immer wieder. Mir ist allerdings wichtig, dass ich die
Bodenhaftung nicht verliere. Auch hier spielt mein Vater eine bedeutende
Rolle: Er sagt mir, wo ich stehe und holt mich auf den Boden der
Tatsachen zurück, wenn ich übermütig werde. Allerdings habe ich auch
nicht das Gefühl, dass ich abhebe. Das ist nicht der Stil unserer
Familie.
(Übersetzung aus dem Französischen: Lilian-Astrid Geese)
Pétanque
Pétanque (umgangssprachlich: Boule) ist ein Zielwurfspiel, das zumeist in Zweier- (Doublette) oder Dreierteams (Triplette) ausgeübt wird. Seltener treten nur zwei Einzelspieler gegeneinander an (Tête-à-Tête). Die Stahlkugeln werden entweder gelegt oder geschossen: Gelegt, wenn die Kugel möglichst nah am Ziel, der »Sau«, platziert werden soll. Geschossen, um gegnerische Kugeln aus einer guten Position zu entfernen. Jeder Spieler hat drei (beim Triplette: zwei) Kugeln. Nach einer Spielrunde (genannt: Aufnahme) zählen alle Kugeln als Punkte, die näher am Ziel liegen als die bestplatzierte Kugel des Gegners. Ein Spiel endet, wenn ein Team 13 Punkte gesammelt hat.
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