Die Stars kommen aus Frankreich

Über tausend Boule-Spielerinnen und -Spieler treffen sich zum Wettkampf am Ostseestrand

  • Lesedauer: 5 Min.
An diesem Wochenende strömen über tausend Menschen an den Ostseestrand von Travemünde, mit über zwei Tonnen Stahl in ihrem Gepäck: Sie treffen sich zum 20. Holstentorturnier, dem größten Boule-Turnier in Deutschland. Mit anreisen werden auch Spielerinnen und Spieler aus Schweden, Niederlande und Polen, sogar aus Israel und Madagaskar. Und natürlich aus Frankreich, dem Mutterland des Pétanque, der meist verbreiteten Variante des Boule-Sports. Neues Deutschland ist Medienpartner des diesjährigen Holstentorturniers.
Dylan Rocher
Dylan Rocher

Noch keine zwanzig Jahre alt ist Dylan Rocher, Zukunftshoffnung des Pétanque in Frankreich. Der mehrfache Jugendwelt- und Jugendeuropameister begann mit drei Jahren Boule zu spielen: sein Vater Bruno, Weltmeister 2004, machte ihn mit den Kugeln vertraut. Vor zwei Jahren erlitt er einen Motorradunfall, der ihn das Ende seiner Karriere fürchten ließ. Doch er fand zurück. Im letzten Jahr siegte er beim weltgrößten Boule-Turnier, der Mondial la Marseillaise, und vor wenigen Wochen erst gewann er – mit seinem Partner Stéphane Robineau – die französische Doublette-Meisterschaft. Mit Dylan Rocher sprach MARC PHEULPIN, Chefredakteur der Zeitschrift »Boulisme«, der ihn auch fotografierte.

Pheulpin: 2010 machtest du mit deinem Sieg bei der Mondial la Marseillaise Furore...
Rocher: Es war immer schon mein Traum, am Vieux-Port zu spielen und die Marseillaise zu gewinnen. Es ist ein hochrangiges Turnier, mit einem kritischen Publikum. Sich dort durchzusetzen ist ein ganz besonderes Gefühl. Der Sieg bei der Marseillaise ist zweifellos der bisher schönste meiner Karriere.

Diese begann 2001, als du mit gerade zehn Jahren französischer Meister im Tête-à-Tête in Les Arcs wurdest. Wie war das?
Ich war glücklich über mein Ergebnis und wünschte mir, dass es erfolgreich so weiter ginge.

War das nicht seltsam für dich? Du hast als Kind die Erwachsenen besiegt!
Eigentlich nicht. Ich weiß, dass ich gut gespielt habe. Allerdings war es mein erstes Turnier. Es hätte also auch ein Zufall sein können. Dennoch fühlte ich mich an jenem Tag irgendwie unschlagbar.

Wie bist du zum Pétanque gekommen?
Ich habe meinen Vater zu Turnieren begleitet und zusammen mit anderen Kindern trainiert. Dann nahm ich an Meisterschaften in meinen Klassen teil. Eines Tages suchte mein Vater einen dritten Spieler für sein Triplette bei der Internationale de Grenoble. Also spielte ich zusammen mit ihm und Bruno Le Boursicaud. Und wir gewannen.

Du bist also auf jeden Fall gut gestartet...
Gewiss, auch wenn das nicht unbedingt zu erwarten war. Aber auf diesen Sieg folgten weitere bei anderen nationalen Turnieren, und schließlich kam ich in die Auswahl für die Jugendweltmeisterschaft und für die Jugendeuropameisterschaft.

Und dann passierte der Unfall...
2009 stürzte ich mit dem Motorrad und brach mir beide Handgelenke. Ich spüre das immer noch. Allerdings gewann ich durch die Reha meine Beweglichkeit wieder und spiele heute vielleicht sogar geschmeidiger als vorher.

Dachtest du damals an deine Karriere?
Ja. Das war das erste, das mir in den Sinn kam. Ich hatte beide Arme in Gips und wusste nicht, ob ich operiert werden müsste oder nicht. Mein Kopf sagte mir: Es ist vorbei! Als ich dann aber wieder anfing zu spielen, kam auch das Gefühl zurück. Ich glaube, ich habe sehr viel Glück gehabt.

Heute stehst du im Rampenlicht der Öffentlichkeit und der Medien. Stört dich das?
Im Gegenteil: Es motiviert mich, viele Menschen um mich zu haben. Wenn ich zwischen einem fast leeren Carré d’honneur und vollen Tribünen wählen soll, sind mir letztere fast immer lieber.

Wie denken andere Spieler über dich? Hat sich ihre Meinung im Lauf der Zeit geändert?
Anfangs bin ich ihnen wohl ein wenig in die Quere gekommen und durfte mir die eine oder andere spitze Bemerkung anhören. Aber dann wurde es langsam ruhiger, und mittlerweile sehen sie mich mit anderen Augen. Ich glaube, ich habe meinen Platz im Kreis der besten Topspieler gefunden. Mit den Startschwierigkeiten musste ich einfach fertig werden.

Dabei hat dir sicher auch dein Vater Bruno geholfen?
Mein Vater steht immer hinter mir und meinen Brüdern. Er beschützt uns, er treibt uns an, er bringt uns vorwärts. Das ist sehr wichtig, denn er hat sehr viel Erfahrung und sein Rat hilft uns enorm.

Du bist gerade für das französische Team für die Europameisterschaften im August in Schweden aufgestellt worden. Was empfindest du angesichts dieser Entscheidung?
Ich freue mich und ich bin stolz. Ich hatte gehofft, eines Tages in den EM-Kader zu kommen, aber das ist alles andere als einfach. Nun spiele ich auch noch in einem sehr starken Team. Das macht auf jeden Fall Lust auf mehr!

Siehst du deine Zukunft als Spitzensportler im französischen Pétanque?
Ich höre das immer wieder. Mir ist allerdings wichtig, dass ich die Bodenhaftung nicht verliere. Auch hier spielt mein Vater eine bedeutende Rolle: Er sagt mir, wo ich stehe und holt mich auf den Boden der Tatsachen zurück, wenn ich übermütig werde. Allerdings habe ich auch nicht das Gefühl, dass ich abhebe. Das ist nicht der Stil unserer Familie.

(Übersetzung aus dem Französischen: Lilian-Astrid Geese)

Pétanque

Pétanque (umgangssprachlich: Boule) ist ein Zielwurfspiel, das zumeist in Zweier- (Doublette) oder Dreierteams (Triplette) ausgeübt wird. Seltener treten nur zwei Einzelspieler gegeneinander an (Tête-à-Tête). Die Stahlkugeln werden entweder gelegt oder geschossen: Gelegt, wenn die Kugel möglichst nah am Ziel, der »Sau«, platziert werden soll. Geschossen, um gegnerische Kugeln aus einer guten Position zu entfernen. Jeder Spieler hat drei (beim Triplette: zwei) Kugeln. Nach einer Spielrunde (genannt: Aufnahme) zählen alle Kugeln als Punkte, die näher am Ziel liegen als die bestplatzierte Kugel des Gegners. Ein Spiel endet, wenn ein Team 13 Punkte gesammelt hat.

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