Schwärzeste Nacht von Pukkelpop

Belgisches Musikfestival nach Unwetter mit fünf Toten abgesagt

  • Tobias Müller, Amsterdam
  • Lesedauer: 3 Min.
Was der Höhepunkt des Spätsommers werden sollte, endete in einer Katastrophe: Ein heftiges Unwetter zog am Donnerstagabend über das Pukkelpop- Festival im belgischen Hasselt. Windböen ließen ein Musikzelt einstürzen, ein Baum fiel auf ein Essenszelt. Fünf Besucher starben, zehn wurden schwer verletzt.

»Aus dem Paradies wurde die Hölle.« Schwere Worte wählte Organisator Chokri Mahassine, als er am Morgen nach der Katastrophe bekannt machte, womit ohnehin alle gerechnet hatten: Pukkelpop, eines der beliebtesten Musikfestivals im Benelux-Raum, ist zu Ende – nach nur einer Nacht und der größten Katastrophe seiner 25-jährigen Geschichte. »Aus Respekt vor den Opfern« wurden alle weiteren Auftritte abgesagt. »Pukkelpop«, vermeldete die Website danach, »trägt tiefe Trauer.«

Fünf Tote und zehn Schwerverletzte, insgesamt 140 Konzertbesucher, die Hilfe benötigten – dies ist die Bilanz eines heftigen Unwetters, das am frühen Donnerstagabend über das Festivalgelände im Dorf Kiewit bei Hasselt, etwa 70 Kilometer westlich von Aachen, zog. Der Sturm kam plötzlich, nach einem glutheißen Tag, so die Sängerin der britischen Band Skunk Anansie, Deborah Anne Dyer, die während des Gewittersturms auf der Bühne stand. Was dann passierte, nannte sie »einen kleinen Orkan«: Mit 110 Stundenkilometer rasten die Windböen über die Wiesen, entwurzelten Bäume, zerbrachen das Zelt Château, in dem sich eine der acht Bühnen befand. Ein Essenszelt stürzte ebenfalls ein, Stände wurden umgerissen.

Trügerische Sicherheit in Einsturzzelten

»Alles stürzte ein oder wehte weg«, so Augenzeuge Peter Vantyghem, ein Journalist der belgischen Tageszeitung »De Standaard«, der leicht verletzt wurde. Zuvor hatten sich zahlreiche Besucher unter Dächern, Ständen und in den Zelten vermeintlich in Sicherheit gebracht. Videoaufnahmen von Besuchern zeigen das dichte Gedränge im Zelt Château, bevor die Dachkonstruktion bricht und Menschen in Panik in alle Richtungen davonlaufen. Das Gelände zu verlassen war zusätzlich durch ein umgestürztes Metallgeländer erschwert. In einer nahen Turnhalle wurde ein Krisenzentrum errichtet. Pausenlos verkehrten Ambulanzwagen zwischen der Halle und dem Festivalgelände.

Am Tag nach der Katastrophe wurde bekannt, dass die Toten allesamt aus Belgien kamen und zwischen 15 und 59 Jahre alt waren. Ihre Namen wurden nicht bekannt gemacht. Unter den Verletzten befinden sich sechs Niederländer. Noch am Freitagmittag waren nach belgischen Medienberichten zwei oder drei Schwerverletzte in kritischem Zustand. Pascal Vranckx, Kardiologe an einem Hasselter Krankenhaus, in dem Schwerverletzte untergebracht sind, sagte, zahlreiche ernste Verletzungen seien durch umherfliegende Gegenstände und umknickende Bäume ausgelöst worden. Dazu zählten Traumata im Kopf- und Hirnbereich sowie an Brust und Bauch, die Blutungen verursachen könnten. Auf den Websites belgischer Zeitungen gingen am Freitag noch immer Berichte von Angehörigen ein, die sich um einzelne Festivalbesucher sorgten.

Unterdessen begannen am Freitag die Fragen, ob die Katastrophe zu verhindern gewesen sei. Organisator Chokri Mahassine sprach von einer »noch nie gesehenen« Situation. Über die Schwere des herannahenden Unwetters hätten die Veranstalter keinerlei Informationen gehabt. Der Sturm hatte am Nachmittag bereits in der Region von Brüssel zahlreiche Probleme verursacht. Auch der belgische Meteorologe Frank Deboosere betonte, trotz Böenradar sei die lokale Dimension von Sommergewittern schwer vorherzusagen.

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