Fernziel: Keine Zwangs-Ehrfurcht vor Gott

»Laizistische Sozis« wollen das Land Nordrhein-Westfalen von der Religion trennen

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 3 Min.
Schulgesetz und Landesverfassung Nordrhein-Westfalens weisen mannigfaltige positive Bezüge zu Christentum und Christengott auf. Sie garantieren zudem konfessionsgebundene Schulen und einen kirchennahen Religionsunterricht. Eine »Initiative Sozis für Laizismus« will das nun ändern – mit langem Atem.
Wenig erbaut: In NRW sollen Schüler »Ehrfurcht vor Gott« lernen.
Wenig erbaut: In NRW sollen Schüler »Ehrfurcht vor Gott« lernen.

Wenige Wochen nach dem überraschenden Kompromiss zwischen der rot-grünen Minderheitsregierung und der oppositionellen CDU mischt sich nun eine »Initiative Sozis für Laizismus« in die Schuldebatte ein. Mit einem Offenen Brief wandten sie sich unlängst an die Abgeordneten des Landtags von Nordrhein-Westfalen. Der Initiative geht es weniger um die grundsätzlichen Schulstrukturen – darüber sind Rote, Grüne und Schwarze sich ja einig. Die Freunde der strikten Trennung von Kirche und Staat innerhalb der NRW-SPD fordern vielmehr, einige religionsbezogene Missstände im Zuge der Schulreform zu beseitigen.

Ins Visier der Religionsskeptiker geraten sind insbesondere Passagen in Schulgesetz und Landesverfassung, die die »Ehrfurcht vor Gott« als Lernziel definieren. Mit der Schulreform müsse die Verfassung ohnehin geändert werden. Warum nicht auch dieser Passus, fragen die »laizistischen Sozis«?

Ihr Alternativvorschlag: Statt der »Ehrfurcht vor Gott« möge im Unterricht lieber »die unbedingte Akzeptanz der Menschenrechte« gepredigt werden. Denn die Formulierung »Gott«, verletze Kinder, deren Eltern keiner monotheistischen Religion angehören, ebenso wie das Grundrecht auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit.

Unterschrieben hat den Brief der dreiköpfige Vorstand der Initiative, die sich als Landesverband der parteiintern umstrittenen »Laizisten in der SPD« sieht: Ellen Kühl-Murges ist Bundesvorstand des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA), Michael Lemken ist nach eigenem Bekunden »aktives Mitglied« im Humanistischen Verband Deutschland (HVD). Beide sind in der SPD unbeschriebene Blätter. Ihr dritter Mitstreiter, Jens Niklaus, ist immerhin Parteichef in Haan-Gruiten bei Mettmann.

Ziel zwei der SPD-Laizisten: Statt des kirchennahen Unterrichts in Glaubenslehren solle es Informationen über Glaubenslehren geben. Das ist ziemlich nahe an jener Forderung, den Religions- durch Ethik-Unterricht zu ersetzen, für die die NRW-LINKE im Landtagswahlkampf Ende 2009 heftig Prügel bezog.

Dritte Forderung: Bisher werden NRW-Schüler auch in nicht konfessionsgebundenen Schulen »auf der Grundlage christlicher Bildungs- und Kulturwerte in Offenheit für die christlichen Bekenntnisse« unterrichtet, so das Schulgesetz. Die Sozi-Laizisten möchten die christliche Grundlage streichen.

Viertens wollen sie die letzten konfessionsgebundenen Grundschulen in allgemein zugängliche umwandeln. Die konfessionsgebundenen Schulen würden zu 100 Prozent aus öffentlichen Geldern finanziert. Sie dürften aber »unpassende«, weil andersgläubige Schüler aus der direkten Nachbarschaft ablehnen oder alternativ zum Religionsunterricht verpflichten. Auch hier streben die Laizisten-Sozis eine Verfassungsänderung an.

Doch dafür bedarf es auch in NRW einer Zwei-Drittel-Mehrheit. Die käme nur unter Beteiligung der CDU zu stande. Und die ist laizistischen oder gar anti-christlichen Zielen nicht allzu sehr aufgeschlossen. »Ich mache mir keine Hoffnungen auf eine Verfassungsänderung in absehbarer Zeit«, sagt denn auch Jan Hochbruck, einer der Sprecher der Initiative. Das sei eher ein Fernziel.

Dennoch betrieben die »Laizistischen Sozis« keine reine Symbolpolitik: »Unser Nahziel ist die Abschaffung ganz realer Missstände wie der bekenntnisgebundenen Grundschulen in öffentlicher Hand. Dieses Paradoxon gibt es nur in NRW und im Süden von Niedersachsen.« Man hege die Hoffnung, durch das »Hangeln von Nahziel zu Nahziel« schließlich »eines Tages einen genügend großen Bewusstseinswandel in der Bevölkerung« zu erreichen – auch bei der CDU. So sollen Formulierungen wie »Ehrfurcht vor Gott« mit der Zeit untragbar und schließlich aus der Verfassung gestrichen werden.

Zustimmung finden die SPD-Laizisten bereits jetzt, wenn auch nicht rechts der SPD: Auch die LINKE trete schon immer grundsätzlich für die Trennung von Staat und Religion ein, so Carolin Butterwegge, die Vize-Vorsitzende der Linksfraktion im Landtag. Religion sei für ihre Partei Privatsache und sollte nicht mit schulischen Angelegenheiten verquickt werden. »Deshalb«, so Butterwegge, »unterstützen wir die Initiative der ›laizistischen Sozis‹ natürlich.«

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