Bettencourt-Skandal belastet Sarkozy

Innenminister deckt Spitzelei gegen Medien

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Die sogenannte »Rentrée«, die »Rückkehr« Anfang September, bezeichnet in Frankreich nicht nur den Saisonauftakt nach der Sommerpause für das politische und wirtschaftliche Leben, sondern auch die Zeit, in der die Verlage ihre Neuerscheinungen präsentieren. Ein Buch erregt in diesen Tagen besonders die Gemüter. Es wurde von zwei Journalisten der Zeitung »Le Monde« verfasst. Der Titel in roter Schrift auf schwarzem Grund lautet »Sarko m'a tuer« (Sarko hat mich getötet).

Zwei Dutzend Personen wurden von den beiden Journalisten befragt. Sie kommen aus verschiedensten Schichten und Berufen, haben aber eines gemeinsam – sie sind irgendwann ein Mal oder wiederholt den Interessen von Präsident Nicolas Sarkozy in die Quere gekommen. Und er hat dann alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel des Staates eingesetzt, um sie zu zerstören.

Besonders zahlreich sind in diesem Kreis Journalisten, die für Sarkozy peinliche Enthüllungen über seine hemdsärmelig-skrupellose Amtsführung, seine Anfälligkeit für Luxus oder seine freundschaftlichen Beziehungen zum »Geldadel« veröffentlicht haben; aber auch Richter, die die verfassungsmäßige Unabhängigkeit der Justiz ernst nehmen und sich nicht für seine politischen oder persönlichen Interessen einspannen und manipulieren lassen. Dazu gehören hohe Beamte, die engagiert an der Seite von Politikern gearbeitet haben, die Sarkozys Rivalen waren oder sind, sowie einige dieser – inzwischen zur Strecke gebrachten – Politiker selbst, wie Ex-Premier Dominique de Villepin.

Bei all diesen Personen hat der Präsident nicht eher geruht, bis er ihre berufliche Laufbahn zerstört hat und nur zu oft ihr Privatleben gleich noch mit. »Ich kam mir vor, als ob ich in die Hände von Mafiosi gefallen wäre«, sagte einer dieser Zeitzeugen. »Es fehlte nur noch Mord.« Bis auf jene, die heute noch Beamte auf einem unbedeutenden Posten sind und sich daher nur sehr zurückhaltend äußern können, nehmen die meisten der Sarkozy-Opfer kein Blatt vor den Mund, denn sie haben nichts mehr zu verlieren.

Wie eine Bombe eingeschlagen hat dabei eine Äußerung der Richterin Isabelle Prévost-Desprez, die vor einem Jahr das Untersuchungsverfahren über die illegalen Spenden geleitet hat, die die Milliardärin Liliane Bettencourt rechten Politikern und Parteien zukommen ließ. Dabei ging es speziell um Arbeitsminister Eric Woerth, der als Schatzmeister der rechten Regierungspartei UMP und als Sarkozys Wahlkampfleiter 2007 Hunderttausende Euro in bar erhalten hat.

Den Buchautoren erklärte die Richterin jetzt, von einer Zeugin, die im Hause Bettencourt gearbeitet hat, habe sie seinerzeit gehört, dass auch Sarkozy persönlich vor dem Präsidentschaftswahlkampf 2007 von Bettencourt Bündel von Geldscheinen in einem Briefumschlag entgegengenommen hat. »Das wollte die Zeugin aber keinesfalls zu Protokoll geben und unterschreiben«, sagte die Richterin. »Allein bei dem Gedanken wurde sie vor Angst ganz bleich und zitterte am ganzen Leibe.« Im Zusammenhang mit dem großen Medienecho, das diese Neubelebung des Bettencourt-Skandals jetzt gefunden hat, gingen Journalisten auch der Frage nach, wie der von Sarkozy gemaßregelte Spitzenbeamte David Sénat, der seinerzeit Berater von Justizministerin Michèle Alliot-Marie war, zu Fall gebracht wurde. Dabei stellte sich heraus, dass der Inlandsgeheimdienst DCRI eine Verbindung zwischen ihm und dem »Le Mon- de«-Journalisten, der über den Bettencourt-Fall recherchierte, festgestellt hat. Daraufhin wurde Sénat verdächtigt, vertrauliche Informationen über das Verfahren an die Presse gegeben zu haben. Er bestreitet das auch heute noch, doch ohne den geringsten Beweis für diese Beschuldigung wurde er seinerzeit strafversetzt.

Der DCRI hatte die Telefongesellschaft gezwungen, die Aufzeichnungen über die Telefonate des »Le-Monde«-Journalisten herauszugeben, was eindeutig gegen das Gesetz über den Schutz der Informationsquellen von Journalisten verstößt. Innenminister Claude Guéant, Freund des Präsidenten und sein »Mann fürs Grobe«, hat jetzt in den Medien versucht, diesen eindeutigen Rechtsbruch herunterzuspielen. Er stellt sich schützend vor den Inlandsgeheimdienst und verweigert jede Auskunft darüber, wer den Befehl für die Spitzelaktion gegeben hat. Es wurde doch gar nicht abgehört, argumentiert er, sondern es handelte sich nur um eine »technische Prüfung«.

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