Verwirrung der Gefühle

Wolfgang Bittner schildert in »Schattenriss« eine Lebenskrise

  • Hannah Klein
  • Lesedauer: 2 Min.

Das Buch hätte einfach »Kurschatten« heißen können. Wenn der Autor auch darum bemüht ist, seine Geschichte auf ein etwas höheres Niveau als das übliche Kurschatten-Muster zu heben, indem er der Seitensprung-Dame ein wenig vom Reiz einer modernen Madame Chauchat verleiht, ist der Vorgang doch so banal wie alltäglich. Alles endet ein bisschen verquält und »verschattet« – wieder im Ehehafen. Dagegen ist nichts einzuwenden, andere Ehekrisen-Romane (wir denken an ein gerade sehr beachtetes US-amerikanisches Buch) enden ähnlich. Außerdem: Wolfgang Bittner will ein Happyend servieren. Ist es das wirklich? Wir wissen es nicht.

Das Alltägliche der Geschichte ist zugleich ihr Vorzug, spricht sie doch aus, was so oder ähnlich vielen begegnet. Zudem führt sie die Banalität vermeintlich großer Gefühle in Liebesangelegenheiten vor Augen. Wenn der Autor seinen Protagonisten etwas verklemmt die Schönheit der Liebesakte preisen lässt (übrigens die mit Geliebter und Ehefrau), dann bekommt das für mich unfreiwillig etwas Komisches. Aber auch das mag der Realität näher sein, als wir vermuten.

Und so die Handlung: Ludwig Mahler, ein Mann mittleren Alters und Schriftsteller von Beruf, gerät nach einer Operation in eine körperliche und seelische Krise, die sich bei einem folgenden Kuraufenthalt zu einer Lebenskrise ausweitet. Inmitten der üblichen Kur-Personage und deren langweiliger Geschwätzigkeit begegnet Mahler der attraktiven, alternativ denkenden Françoise Dubois (das Mäuschen zu Hause heißt übrigens Brigitte). Die Schöne zieht ihn mit ihrer freien Art und mit ihrem Lachen in ihr Bett (»Er war ihr verfallen. Er konnte nichts dagegen machen.«) Wieder zu Hause, gelingt es Mahler nicht, die Affäre zu beenden. Er findet Vorwände, sich weiterhin mit Françoise zu treffen und schließlich mit ihr nach New York zu fliegen. Erst dort wird ihm die Tragweite der Beziehung bewusst.

Dass Wolfgang Bittner seinen Mahler die ganze Zeit Werfels »Stern der Ungeborenen« lesen lässt und ihn dadurch auf einen anderen »Stern« versetzt, gönnen wir dem krisengeschüttelten Mann.

Wolfgang Bittner: Schattenriss oder Die Kur in Bad Schönenborn. Verlag André Thiele. 240 S., geb., 18,90 €.

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