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Einheimische
Christin Odoj appelliert an den Ur-Berliner
Der sogenannte Ur-Berliner zählt, das ist längst bekannt, zu einer vom Aussterben bedrohten Spezies. Es soll vereinzelt noch Exemplare mit Mietverträgen von vor 20 Jahren an der Peripherie geben.
Sein natürlicher Feind ist dabei schon längst ausgemacht: der Zugezogene. Er schränkt nicht nur den natürlichen Lebensraum der Eingeborenen durch Hamsterkäufe teurer innerstädtischer Immobilien ein, nein, seine Existenz lenkt bei Integrationsfragen schnell auf relativ unpolitische Bahnen ab. Dabei liegt das Berliner Problem mit Zugezogenen nicht bei der schwäbelnden Latte-Macchiato Mafia.
Seit Generationen wächst eigentlich der Anteil an Ur-Berlinern, nur haben diese ganz andere Probleme, als sich über Milchkaffeetrinkende Ex-Provinzler auszulassen. Die bereits vor Jahrzehnten eingewanderten Migranten aus Osteuropa, der Türkei oder Vietnam machen mittlerweile ein Viertel der Berliner Bevölkerung aus, jedes Jahr kommen zehntausende gebürtige Berliner dazu, aber deren Arbeitslosigkeit liegt doppelt so hoch und die Anzahl derer mit einem hohen Bildungsniveau drei Mal so niedrig, wie die des »echten« Berliners.
Das selbst ernannte Berliner Urgestein macht es sich doch sehr einfach, wenn Probleme mit den Zugezogenen nur dann als gelöst erscheinen, wenn es zu Weihnachten endlich genug Parkplätze gibt, weil halb Stuttgart auf Heimatbesuch ist.
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