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Stimmung für Streik

Fraport-Beschäftigte kämpfen gegen Liberalisierung

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Gegen eine drohende Zerschlagung des Frankfurter Flughafenbetreibers Fraport AG machen Betriebsrat, Beschäftigte und Dienstleistungsgewerkschaft ver. di mobil. Sie wollen die weitere Liberalisierung verhindern.

Unter freiem Himmel zwischen Landebahn und Terminalgebäuden unterstrichen die Beschäftigten am frühen Nachmittag bei einer Betriebsversammlung ihre Entschlossenheit, eine weitere Liberalisierung der Bodendienste an den deutschen und europäischen Verkehrsflughäfen zu verhindern.

Stein des Anstoßes sind Pläne der EU-Kommission, mit einer überarbeiteten Richtlinie zum Marktzugang der Bodenabfertigungsdienste in den EU-Ländern für bestimmte Flughäfen mindestens drei miteinander konkurrierende Abfertigungsunternehmen vorzuschreiben und den Dienstleistern das »Subcontracting«, also eine Untervergabe an andere Firmen, zu gestatten. Vor allem möchte die Kommission per Verordnung die rechtliche Trennung der Flughafenbetreiber von ihren Abfertigungs-Töchtern erzwingen. Regelungen zur Verbesserung der sozialen Lage der Beschäftigten sucht man im Kommissionsentwurf vergeblich. Am Frankfurter Rhein-Main-Flughafen wären rund 6000 Beschäftigte davon betroffen, bundesweit gut 20 000.

Für die Gewerkschafter sind diese Pläne eine Anleitung zum verschärften Lohn- und Sozialdumping und der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringen könnte. »Es knistert. Die Kollegen haben keine Lust mehr und eine Wut im Bauch«, fasst Vertrauensleutesprecher Uwe Schramm von ver.di die Stimmung zusammen. »Viele leiden unter psychischen Krankheiten.« Schließlich hat der seit 15 Jahren von der EU erzwungene Liberalisierungsdruck bereits zu massiven Einkommensdifferenzen und realen Lohnsenkungen bei den Bodendiensten in einer Größenordnung von gut 25 Prozent geführt. 2000 Fraport-Beschäftigte sind Leiharbeiter. Etliche müssen mit Hartz IV-Leistungen aufstocken. Die Folgen des neuerlichen Vorstoßes der EU-Kommission könnten auch Folgen für die Kunden haben: Ein ver.di-Flugblatt warnt vor Qualitätsverlust, weniger Sicherheit und ein mögliches Winterchaos.

Nach der gestrigen Betriebsversammlung, die zu Verzögerungen im Betriebsablauf führte, wollen Betriebsrat und ver.di für die kommenden Wochen auch Streiks nicht ausschließen. Der für den Fachbereich Verkehr zuständige hessische ver.di-Landesleiter Gerold Schaub hat dabei den erfolgreichen europaweiten Kampf der europäischen Hafenarbeiter gegen eine EU-Richtlinie zur Liberalisierung der Arbeit in den Seehäfen vor Augen. Über den gewerkschaftlichen Dachverband ETF hatten die Hafenarbeiter EU-weite Kampfmaßnahmen und zentrale Demonstrationen vor dem Straßburger EU-Parlament organisiert und damit die Kommissionspläne gestoppt. »Wenn wir streiken, dann sind die angedrohten Streiks bei der Flugsicherung ein Kindergeburtstag«, so Schramm. Mit Verständnis für einen Arbeitskampf könnten die Gewerkschafter selbst beim deutsch-österreichischen Flughafenverband ADV rechnen. Deren Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel sieht »keinen Änderungsbedarf am der bestehenden Richtlinie« zu den Bodenverkehrsdiensten und warnt für den Fall einer weiteren Marktöffnung vor »massiven Nachteilen für das gesamte Luftverkehrssystem«.

Betriebsratsvorsitzende Claudia Amier freut sich über das bisherige Echo in Teilen der Politik. So habe auch der Bundesrat in seiner Juni-Sitzung einstimmig und parteiübergreifend vor einer weiteren Liberalisierung des Marktzugangs für die Bodendienste gewarnt. Leider hätten jedoch die Bundesregierung und deren Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) den Gewerkschaftern bislang die kalte Schulter gezeigt. Doch wenn Kanzlerin Angela Merkel Ende nächster Woche zur Inbetriebnahme der neuen Landebahn auf Rhein-Main angeflogen kommt, will Fraport-Gesamtbetriebsratschef Edgar Stejskal mit ihr das Thema erörtern.

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