Was hast Du bloß getan?

Kurioses, Dramatisches und Historisches am letzten Spieltag der Bewerber für die EM-Endrunde 2012

  • Oliver Händler
  • Lesedauer: 3 Min.

Die ergreifendste Umschreibung für das, was Waleri Alexanjan in der Dublin Arena in Minute 43 anstellte, fand ein russischer TV-Kommentator: »Uiuiui, schto tyi delal? Mama mia! Eta tragedija!« Der Armenier Alexanjan hatte gerade die irische Flanke, die Richtung Eckfahne kullerte, ins eigene Tor geschossen - aus einem Meter Entfernung, ohne einen Gegenspieler auch nur in der Nähe. Kein Wunder, dass der Reporter fassungslos fragte, was Alexanjan da nur getan habe. Welch Tragödie!

Die Armenier hätten sich mit einem Sieg für die Play-offs der Qualifikation zur Europameisterschaft 2012 in der Ukraine und Polen schießen können, doch sie spielten so, als hätten sie allesamt hohe Summen gegen sich selbst gewettet. In der 25. Minute stürzte Torhüter Roman Beresowski mit gestreckten Armen aus dem Strafraum, um einen Schuss zu blocken. Auch wenn ein Ire vorher selbst mit der Hand am Ball war, und der Torwart vielleicht mit der Brust abwehrte, die Rote Karte war fast provoziert.

Ersatzmann Arsen Petrosyan flog beim späteren 0:2 ziellos am Ball vorbei. Irgendwie sah das alles schon sehr komisch aus - nicht witzig komisch, merkwürdig komisch. »Eindeutig ein Spiel der Nerven. Ich denke, heute hatten wir mehr Glück«, drückte es Irlands Siegtorschütze Richard Dunne diplomatischer aus.

Ähnliche Kuriositäten gab es auch in anderen Stadien, bei anderen wichtigen Spielen zu sehen. Die Serben etwa brauchten einen Sieg in Slowenien. Keine unmögliche Aufgabe für die Mannschaft, die bei der WM 2010 in Südafrika noch die deutsche Elf bezwingen konnte. Torwart Bojan Jorga?evi? ließ jedoch eine 40-Meter-Bogenlampe einfach hinter sich ins Tor fallen und Nemanja Vidi? - immerhin Kapitän von Manchester United - schoss einen Elfmeter so schwach, dass der slowenische Keeper ihn locker fangen konnte. Auch hier: Ein Schelm, der Böses dabei denkt!

Die Esten freuten sich jedenfalls nach einem Testspiel in Tallinn schelmisch über den Einzug in die Play-offs. »Das ist ein Sieg für die gesamte estnische Nation«, bejubelte Mittelfeldspieler Martin Vunk den schon jetzt größten Erfolg seit der Unabhängigkeit 1991. Dabei hatte man gerade gegen die Ukraine 0:2 verloren.

Eine Zeit lang sah es so aus, als wollte auch der Europameister von 2004 nicht zum Turnier im kommenden Jahr. Bis zur 77. Minute lag Griechenland bei den längst ausgeschiedenen Georgiern zurück. Ein eigentlich harmloser, aber abgefälschter Distanzschuss von Giorgos Fotakis beendete jedoch alle Hoffnungen der Kroaten, die nun in die Relegation müssen.

Dort könnten sie auf Bosnien-Herzegowina mit Stürmerstar Edin D?eko treffen, der beinahe Frankreichs Fußballfans in die nächste Sinnkrise gestürzt hätte. Doch sein herrliches 1:0 im Stade de France von Paris hielt nur bis zum Elfmeterpfiff von Schiedsrichter Craig Thomson eine Viertelstunde vor Schluss. Dieser Pfiff war allerdings berechtigt und das Foul mal ganz normal. Samir Nasri schoss Frankreich sodann zur EM.

Das wollte eigentlich auch Cristiano Ronaldo mit Portugal tun, doch seinen großen Sprüchen im Vorfeld folgte im Regen von Kopenhagen kaum etwas. Sein schönes Freistoßtor in der Nachspielzeit kam viel zu spät. Stattdessen fahren die Dänen nun zur EM - mit Sicherheit die endgültige Absage von Trainer Morton Olsen an den Hamburger SV. Im kommenden Sommer hat er schon etwas Besseres vor als Abstiegskampf in der Bundesliga.

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