Das antisemitische Tabu verblasst

Hasstiraden gegen Juden nehmen in Deutschland zu

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Nachdem Jugendliche vor vier Jahren ein Mann mit jüdischer Kopfbedeckung attackiert hatten, untersuchte ein Expertengremium das Ausmaß des Antisemitismus in Deutschland - das Ergebnis ist besorgniserregend.

Berlin (dpa/nd). Judenfeindliche Einstellungen sind nach Einschätzung von Experten fest in der deutschen Gesellschaft verankert. Antisemitische Einstellungen würden besonders über das Internet kundgetan. Rechtsextreme, Holocaustleugner und extremistische Islamisten nutzten das Netz als Plattform für ihre Propaganda, schreibt der unabhängige Expertenkreis Antisemitismus in seinem ersten Bericht. Dieser wurde am Mittwoch dem Bundeskabinett präsentiert.

Nach einem entsprechenden Bundestagsbeschluss hatte die Bundesregierung den Expertenkreis im Jahr 2009 eingesetzt. In dem Bericht heißt es, seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges sei der Antisemitismus in der öffentlichen Debatte weitgehend tabuisiert gewesen. Doch spreche einiges dafür, dass diese Tabuisierung nun unterlaufen werde: Es gebe mittlerweile eine »bis weit in die Mitte der Gesellschaft verbreitete Gewöhnung an alltägliche judenfeindliche Tiraden und Praktiken«.

Antisemitische Einstellungen basierten auf Vorurteilen, tief verwurzelten Klischees und auch auf schlichtem Unwissen über das Judentum. Die Experten werteten mehrere Untersuchungen aus, die auf Meinungsumfragen basieren. Übereinstimmend ergeben diese einen latenten Antisemitismus bei etwa 20 Prozent der Bevölkerung. Im Europäischen Vergleich nimmt Deutschland damit nur einen Mittelplatz ein - trotz der beständigen Auseinandersetzung mit seiner nationalsozialistischen Vergangenheit.

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