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Kuchen mit Sternen

Als Sandmännchen das Streuen lernte

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 2 Min.

Als das Sandmännchen des Dichters Nils Werner noch ein Kind war, hatte es eine Sandmännchenmutter und einen Sandmännchenvater. Was für ein Überangebot interessanter Figuren! Die Geschichte aus dem Jahr 1964 konzentriert sich aber auf den verspielten Nachkommen des Schlafsandstreuers, der aus dem Rohstoff für schöne Träume lieber Kuchen bäckt als ihn seiner Bestimmung zuzuführen. Heinz Behling setzt das Herumgehopse des kleinen Sandmanns mit dem roten Jüpchen sehr farbenfroh und mit einfachem Strich ins Bild. Nils Werner reimt so entzückend dazu, dass nicht nur Kinder daran ihre Freude haben dürften. »Doch hinter den Bäumen im Abendwind spielte das fröhliche Sandmännchenkind. Es hatte drei herrliche Kuchen gebacken: zwei runde und einen mit Sternenzacken«.

Was folgt, ist zwar immer noch lustig, aber schon etwas dramatischer. Das unbedarfte Kind streut auf dem Weg zu seinem väterlichen Einschläferungsprofi ein paar ordentliche Sandportionen – ausgerechnet dorthin, wo sie vollkommen unerwünscht sind, beispielsweise in die Augen des Bahnwärters, der prompt verschläft, die Schranke hochzukurbeln und ein Verkehrschaos auslöst. Selbstverständlich geht am Ende alles gut aus. Klein Sandmännchen lernt, dass man die Traumkörner nicht einfach Hinz und Kunz hinwirft, und die Kinder, denen das Buch vorgelesen wird, erfahren, wer alles des Abends noch auf Arbeit sein muss.

Auch wenn der pädagogische Zeigefinger aus den Geschichten der 60er Jahre später sehr verpönt war und die Quatsch-mit-Soße-Philosophie

von Pittiplatsch Einzug in die Welt der Kindergeschichten hielt, möchte man auf diese Art des Erzählens nicht verzichten. Sie spricht ganz andere Sinne an als die heute so beliebten Monster, Geister und Gespenster. Vielleicht kann sie sogar für ein paar Augenblicke ein wenig Dampf vom Lebenskessel der hyperaktiven, gestressten Kinder nehmen. Den vielen Neuauflagen der Klassiker aus dem DDR-Kinderbuchbestand, die jetzt erscheinen, ist der Erfolg sehr zu wünschen.

Ein Mediengestalter, der sich im Internet zu diesem Büchlein äußert, hält den Lehreffekt für genial. Er findet es schön, dass das Sandmannkind lernen muss, den wertvollen Schlafsand nicht einfach zu verschwenden und schon gar nicht wild um sich zu streuen. Wie es scheint, ist inzwischen doch eine gewisse Actionmüdigkeit eingetreten, die leisen Tönen den Weg ebnet.

Nils Werner / Heinz Behling: Als Sandmännchen noch ein Kind war. Eulenspiegelverlag. 32 S., geb., 8,95 €

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