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Richard Heydrich auf Abwegen

Terje Emberland und Bernt Rougthvedt: »Der Spinnenmann«

  • Elaine Sandels
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Hafenviertel von Oslo begegnet der junge Kriminalreporter Erik Erfjord 1934 zum ersten Mal einem dämonisch wirkenden Deutschen, den er wegen seines Aussehens »Spinnenmann« nennt. Sein Schulfreund Lennart Winther, der sich als Nachwuchsschauspieler in den Babelsberger UFA-Studios einen Namen gemacht hat, behauptet, es handele sich um einen deutschen Regisseur, der Knut Hamsuns Roman »Hunger« verfilmen wolle. Anderen präsentiert sich der Mann mit der Adlernase und den Pianistenfingern als Kunstsammler und nennt sich Hans von Manteuffel. Doch was will SS-Standartenführer Reinhard Heydrich, denn um keinen Geringeren handelt es sich, wirklich in Norwegen? Was hat er mit der Brand- und Mordserie zu tun, deren prominentestes Opfer der Großhändler Rustad ist?

Terje Emberland und Bernt Roughthvedt führen uns ins Oslo der 30er Jahre, das gerade ein modernes Gewand anlegt. Das alte Gauner- und Hehlerquartier am Hafen wird abgerissen, Neubauten wie das Rathaus entstehen. Die einen tanzen zu Jazzrhythmen und geben sich »modern«, die anderen schmettern nationalistische Parolen. Birger Bays ehemalige Schnapsschmugglerbande macht nun in Brandstiftung und Schutzgelderpressung, rüstet auf und orientiert sich an amerikanischen Gangster-Vorbildern. Die Polizei, deren Führung von rechtskonservativen Kreisen dominiert wird, kann oder will nicht aktiv werden.

Erik Erfjord glaubt nicht, dass der »Spinnenmann« stets nur zufällig in der Nähe der Tatorte auftaucht. Der Deutsche weilt in geheimer Mission in Norwegen, verfolgt aber offenbar private Ziele. Als auch Lennart ermordet wird, scheint es unmöglich, hinter die Zusammenhänge zu kommen. Erik gibt auf, widmet sich ganz der aparten Kiss Lorenz, der Ex-Verlobten seines Schulfreundes. Dann entdeckt er an einem Fjord nahe des gemeinsamen Liebesnestes durch Zufall ein deutsches Wasserflugzeug. Gegen den Rat seines Mentors, des legendären Mr. George, ermittelt er auf eigene Faust weiter – und gerät selbst in Lebensgefahr. Denn als er mit seinem Wissen zu einem vertrauenswürdig erscheinenden Beamten geht, trifft er diesen beim freundschaftlichen Plausch mit einem deutschen Kollegen: Heydrich ist ja auch Chef der bayerischen Polizei ...

Terje Emberland und Bernt Rougthvedt, beide vom Jahrgang 1956, sind Historiker und veröffentlichten mit »Der Spinnenmann« ihren ersten Roman, den man als Meisterwerk bezeichnen kann: Selten ist es so gut gelungen, geschichtliche Ereignisse in eine fesselnde Kriminalhandlung einzubinden (die hier natürlich nur angedeutet werden konnte, freuen Sie sich auf eine hochspannende, überraschende Lektüre). Tatsächlich hatte Heydrich, der spätere Chef des Reichssicherheitshauptamtes, bei seiner Eheschließung Probleme mit seinem Ariernachweis, reiste mehrmals offiziell wie auch inoffiziell nach Oslo, und der Mord an dem reichen Baustoffhändler Rustad ist in die norwegische Kriminalgeschichte eingegangen.

Was das Ganze mit dem Transfer-Abkommen zwischen dem Hitler-Regime und der zionistischen Bewegung zu tun hatte und warum Heydrich trotz jüdischer Vorfahren im NS-Staat Karriere machen konnte ...? Lesen Sie selbst! Denn bei Emberland & Rougthvedt erfahren Sie, wie es gewesen sein könnte!

Terje Emberland / Bernt Rougthvedt: Der Spinnenmann. Kriminalroman. A. d. Norw. v. Gabriele Haefs u. Andreas Brunsermann. Osburg Verlag. 240 S., geb., 19,95 €

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