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Schlag nach bei Elm

Ein Wörterbuch zur Zeitgeschichte

  • Klaus Höpcke
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Stichworte, unter denen Ludwig Elm seine Auskünfte zur Zeitgeschichte versammelt hat, reichen von Aberglaube bis Zypern. Man springt, alphabetisch geordnet, wie es sich für ein ordentliches Nachschlagewerk allgemeiner oder fachlicher Art gehört, von einem zum anderen Wort. Bei den Worterklärungen aber weicht Elm von üblichen Mustern ab. Was er zu einem der von ihm gewählten Stichworte sagt oder nicht sagt und in welcher Weise er seine Deutungen und Erläuterungen vorträgt, dafür folgt er keinen strikten Regeln.

Die Darbietungsweise, oft könnte man auch sagen Erzählweise seiner Texte, ist hauptsächlich vom Verhältnis des jeweiligen Gegenstandes zu gegenwärtig erlebter oder in gewissen Folgen nacherlebbarer Zeitgeschichte bestimmt. Deren Akteure bedenkt er mit sachlicher Feststellung ihrer Handlungen, liefert Fakten und seriöse Kommentare, aber auch eine Fülle ironischer Anspielungen. Die ergänzen sich gut mit dem spöttischen Unterton, den der Autor mit Vorliebe wählt, wenn er auf Absurdes zu sprechen kommt. Insofern steht Elms Buch in der Tradition der von Ambrose Bierce seit 1911 mehrfach unter dem Titel »The Devil´s Dictionary« herausgebrachten Sammlung satirischer Aufhellung alltäglichen Geschwätzes, in der er Denkanstöße mit spöttischen wie ernsten Assoziationsmöglichkeiten gab.

In »Demokratie, an sich« lesen wir bei Elm: »Fast ebenso beliebt wie Freiheit an sich. Ist vorzugsweise als scharfe rhetorische Waffe gegen politische Gegner einzusetzen. Von diesen schwer zu erwidern, solange konkrete Argumente und Beispiele weitgehend vermieden und die eigene Sicht anhand politisch geeigneter, sorgfältig ausgewählter Aspekte und Kriterien präsentiert wird.« Danach folgen Notizen zur bürgerlichen oder sozialistischen, repräsentativen, plebiszitären oder direkten Demokratie. Verdienstvoll, dass Elm unter dem Stichwort »Totalitarismus« zitiert, was in der »Weltbühne« Nr. 29 vom 15. Juli 1930 Carl von Ossietzky geschrieben hatte: »Die Gleichsetzung von Nationalsozialisten und Kommunisten ist der denkbar ärgste Fehler, der von republikanischen Politikern begangen wird.«

Für hilfreich halte ich auch, was der Autor zum Komplex des Anti-Vokabulars zusammengestellt hat – von den menschlichen Werten des Antifaschismus, Antikapitalismus und Antimilitarismus bis zu den Hass- und Mordparolen des Antisemitismus, des Antisozialismus und Antikommunismus und des so genannten antitotalitären Gründungskonsens der Bundesrepublik. Weil er Letzteres als verlogen wertet, wurde der Autor im Verfassungsschutzbericht von 1999 vermerkt. Er lebe, schreibt Elm, »seither mit diesem Makel« und erwarte »noch immer eine schlüssige behördliche Aufklärung über seinen wirklichen oder vermeintlichen Irrtum«.

Ob der Leser sich kundig machen will, was es mit den »Achtundsechzigern« oder den »Hunderteinunddreißigern« auf sich hat, sich über die Colonia Dignidad in Chile und Nazis anderenorts informieren oder wissen will, worum es sich bei der von Generalbundesanwalt Max Güde als »das Vorurteil der Linksfürchtigkeit« bezeichneten politischen Krankheit handelt, dem sei empfohlen: Schlag nach bei Elm.

Ludwig Elm: Der Mantel der Geschichte und andere deutsche Denkwürdigkeiten. PapyRossa, Köln. 194 S., br., 12,90 €

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