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Sind Kriegsgegner müde?

Reiner Braun bilanziert die Petersberg-II-Proteste / Braun ist Geschäftsführer der Deutschen Sektion der Juristen und Juristinnen gegen atomare, biologische und chemische Waffen (IALANA)

  • Antje Stiebitz
  • Lesedauer: 3 Min.

nd: 4500 Menschen sollen bei den Protestaktionen gegen Petersberg II dabei gewesen sein. Sind Sie damit zufrieden?
Braun: Mit den Aktionen selbst, ja. Durch die Besetzung des Sitzes der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Bonn beispielsweise haben wir zivilen Ungehorsam geübt und gezeigt, dass man öffentlichkeitswirksam gegen die zivil-militärische Zusammenarbeit protestieren kann. Mit Zahl der Teilnehmer an der Demonstration waren wir allerdings nicht zufrieden. Das zeigt, wie schwierig es ist, auf breitem Feld gegen den Krieg in Afghanistan zu mobilisieren. Gut war, dass sich mit ver.di erstmalig eine große Gewerkschaft am Widerstand beteiligt hat. Und auch die Internationalität und die Anwesenheit zahlreicher Afghanen und Afghaninnen stimmen positiv.

Warum ist es so schwer, Menschen gegen den Afghanistan-Krieg zu mobilisieren?
Erstens gibt es in der Bevölkerung eine Verunsicherung darüber, ob an dem Argument der politischen Klasse, dass dort die Menschenrechte verteidigt werden, nicht doch etwas dran ist. Zweitens sind wir mit der aktiven Ablehnung gesellschaftlich immer noch relativ isoliert. Schließlich sprechen sich alle vier großen Parteien im Bundestag für diesen Krieg aus. Drittens befürwortet auch der Großteil der Medien diesen Krieg, obwohl die Kritik von dieser Seite zunimmt. Und der vierte Grund ist, dass die Friedensbewegung nicht mehr so in der Bevölkerung verankert ist, wie sie das in den 80er Jahren war. Der neoliberale Individualismus schlägt sich auch auf kollektive Protestformen nieder. Eine Rolle spielte auch, dass es fast parallel die Occupy-Bewegung und den Widerstand gegen den Castor gab und wir damit an die Grenzen der Mobilisierbarkeit stoßen.

Was hat Ihre Gegenkonferenz zu Petersberg II erbracht?
Entscheidend war die Kooperation afghanischer und internationaler Friedenskräfte: Da haben Mexikaner, Afghanen und Amerikaner gemeinsam über den Frieden und die NATO diskutiert. Die Teilnehmerzahl von über 350 Personen aus 17 verschiedenen Ländern war für uns überraschend hoch. Auch die große Zahl von Afghanen war ein gutes Zeichen. Und wir hatten einen kulturell bedingt schwierigen, aber sehr erfolgreichen Diskursprozess. Nächstes Jahr wollen wir diesen Dialog mit einer internationalen afghanischen Friedenskonferenz in Bonn weiterführen. Ein Anstoß, der sich aus dieser Auseinandersetzung ergeben hat, ist beispielsweise, dass wir uns stärker der NATO widmen müssen.

Wie werden Sie den Widerstand gegen den Afghanistan-Krieg fortführen?
Das Bündnis, das sich entwickelt hat, müssen wir hegen und pflegen. Außerdem wollen wir, dass die Gewerkschaften ein Teil der Bewegung gegen den Afghanistan-Krieg werden. Mit ver.di ist uns ein riesiger Schritt vorwärts gelungen, aber wir wollen weitere Gewerkschaften einbinden. Das gilt auch für die Kriegsgegner aus anderen politischen Parteien. Ebenso ist die Zusammenarbeit mit den Afghanen ausbaufähig. Das nächste wichtige Stichwort ist die Verlängerung des ISAF-Mandats im Januar, und im Mai kommt der NATO-Gipfel in Chicago auf uns zu. Wir haben mit der internationalen Koalition »No to war - no to NATO« vereinbart, dass wir dort einen Gegengipfel veranstalten.

Fragen: Antje Stiebitz

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