Wasser im Klimastress

Seen im Nordosten Deutschlands verdunsten bereits jetzt mehr als ihnen durch Regen zufließt

  • Margit Mertens
  • Lesedauer: 4 Min.
Landunter in Bangkok, Dürren in Afrika, historisches November-Niedrigwasser im Rhein: Der Klimawandel wird weitreichende Folgen auf das »Schutzgut« Wasser haben - auch in Deutschland.

Wenn es um Klimawandel geht, geht es immer auch um Wasser. Denn der Klimawandel wird dessen Verfügbarkeit verändern - auch in Deutschland. Höchste Zeit, sich den Folgen zu stellen, und zwar mit einem wissenschaftlich und politisch viel stärker vernetzten Wassermanagement auch auf nationaler Ebene, fordern Forscher der Leibniz-Gemeinschaft in ihrem kürzlich erschienen »Zwischenruf«.

Insgesamt gibt es auf der Erde genügend Süßwasser, nur nicht immer dort und dann, wo und wann es gebraucht wird. Von den weltweiten Wasservorräten sind nur 3,5 Prozent Süßwasser. Der größte Teil davon ist als Eis gebunden. Theoretisch stehen weltweit im Jahr 118 000 Kubikkilometer Wasser zur Verfügung. Zum Vergleich: Durch den Rhein fließen jährlich im Mittel 60 Kubikkilometer. 49 Prozent des gesamten Süßwassers strömen ins Meer, die Hälfte beregnet Wälder, Steppen und Feuchtgebiete, 0,9 Prozent fließt in die Bewässerung und nur 0,1 Prozent verbraucht der Mensch, um seine Grundbedürfnisse und den Wasserbedarf der Industrie zu decken.

»Wasser ist keine Gratisleistung der Natur, auch nicht in Deutschland«, sagte Uwe Grünewald von der Brandenburgischen Technischen Universität in Cottbus. Vorsorge- und Anpassungsmaßnahmen im Bereich des Wasserhaushaltes und der Wasserbewirtschaftung seien dringend geboten. Zunehmende Trockenheit in den Wachstumsphasen, Spätfröste, Starkregen, Hoch- oder Niedrigwasser und generell verschobene Vegetationsperioden seien zu erwarten.

Beispiel: Die Länder Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sind zwar gewässerreich aber niederschlagsarm. So beträgt die Niederschlagsmenge im Gebiet des Großen Stechlinsees im Jahresmittel 634 Liter pro Quadratmeter. Über der mehr als vier Quadratkilometer großen Fläche des bis zu 70 Meter tiefen »Klarwassersees« verdunstet mehr Wasser als durch Regen ersetzt wird. Nur die geringe Verdunstung über der Landfläche sorgt dafür, dass sich Grundwasser neu bilden und die zahlreichen Seen und Fließgewässer speisen kann.

»Seit etwa 30 Jahren wird der Wassermangel durch die inzwischen spürbaren Auswirkungen des Klimawandels verstärkt«, schreiben die Wissenschaftler des Berliner Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB). »Die Folgen sind sinkende Seewasserstände, verminderte Grundwasserneubildung und eine Verschiebung der Niederschläge vom Sommer in den Winter.« Dieser Wassermangel wird sich weiter verschärfen, wenn die Niederschläge wie prognostiziert bis 2050 um bis zu 60 Liter pro Quadratmeter abnehmen. Bereits in zehn Jahren wird die verfügbare Wassermenge für den steigenden Bedarf der landwirtschaftlichen Bewässerung nicht mehr reichen, haben die IGB-Forscher berechnet. »Dies erfordert bereits jetzt ein Umdenken!«

Daneben hat sich das Artenspektrum der Seen durch eine generell erhöhte Wassertemperatur und die veränderte Wärme der Wasserschichten, mehr Pflanzennährstoffe und weniger Sauerstoff im Tiefenwasser verschoben. Das ist umso dramatischer, als »unsere Binnengewässer (noch) Zentren der biologischen Vielfalt sind, vergleichbar mit den Korallenriffen oder den tropischen Regenwäldern«, betonen die Leibniz-Forscher. »Obwohl Seen und Flüsse nur 0,8 Prozent der Erdoberfläche bedecken, beherbergen sie zehn Prozent aller bekannten Tierarten und ein Drittel aller Wirbeltiere.« Diese Vielfalt nehme jedoch rasant ab, stärker als in allen anderen Ökosystemen.

Die Entnahme von Beregnungswasser in der Landwirtschaft verringert das ohnehin schwindende Grundwasser oder senkt die Pegel von Seen oder Flüssen. Die Leibniz-Experten empfehlen daher, »gebrauchtes« Wasser wie Regenwasser oder gereinigtes Abwasser in den Landschaftswasserhaushalt zurückzuführen, statt es in Bäche und Flüsse einzuleiten.

Lösungsansätze für das Management eines anderen, sich durch den Klimawandel verschärfenden Problems wurden auf Borkum untersucht: Die Süßwasservorräte an Küsten und auf kleinen Inseln werden durch das zunehmende Eindringen von Salzwasser, der sogenannten Intrusion, gefährdet. »Unzweifelhaft stellen die Salzwasserintrusion und die damit verbundene Verknappung von Süßwasser ein zentrales Problem von Küsten und Inseln weltweit dar«, stellen die Experten des Leibniz-Instituts für Angewandte Geophysik (LIAG) in Hannover fest. »In Deutschland sind davon beispielsweise die ost- und nordfriesischen Inseln betroffen, in Indonesien etwa die Inseln und Atolle des Spermonde-Archipels.«

Auf Borkum nun haben die Geophysiker vom Hubschrauber aus die Süß- und Salzwasservorräte kartiert, die durch ihre unterschiedliche elektrische Leitfähigkeit gut abgrenzbar sind. Dann haben sie Modelle entwickelt, die eine Übernutzung oder den Bau von Brunnen an ungeeigneten Stellen und somit eine Veränderung der Grenze zwischen Süß- und Salzwasser verhindern. »Durch den gezielten Einsatz von geophysikalischen Methoden wie auf Borkum kann die Süßwasserlinse zerstörungsfrei von der Erdoberfläche aus erkundet werden. Dabei können auf der Basis von Simulationsmodellen und Monitoring Brunnenstandorte und Wassermanagement der Salz- und Süßwassergrenze optimiert werden.« Die geophysikalischen Messungen bilden das Kernstück der Untersuchungen. »In Kombination mit sozial- und gesundheitspolitischen Maßnahmen bieten die Erfahrungen deutscher Forschung auf Borkum erfolgversprechende Übertragungsmöglichkeiten für viele tropische Inselumgebungen.«

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